Photo: White House, Andrea Hanks
Wenn die Sonne tief steht
Während die USA sich zumindest rhetorisch anschicken, ihre globale Führungsrolle wieder verstärkt wahrzunehmen, setzt Europa unverändert auf Appeasement. Die Kritik an der Rede Donald Trumps vor der UN-Vollversammlung in New York ist umso lauter, je weiter die Länder von der unmittelbaren Bedrohung durch Nordkorea oder den Iran entfernt sind. Während Europa immer mehr auf Distanz zu den USA geht, schätzen Länder wie Südkorea und Japan die harte Haltung Trumps. Benjamin Netanyahu lobte Trumps Rede sogar fast euphorisch.
In mehr als 30 Jahren Erfahrung mit den Vereinten Nationen habe er niemals eine mutigere und beherztere Rede gehört, sagte der israelische Ministerpräsident. Er versicherte, dass sich die Feinde Israels „in tödliche Gefahr begeben“ würden, und schwor, dass sich sein Land „mit der vollen Kraft seiner Waffen“ verteidigen würde. „Das Licht Israels wird niemals ausgelöscht werden“, warnte er die iranische Regierung und wandte sich in persischer Sprache direkt an das iranische Volk: „Ihr seid nicht unsere Feinde, Ihr seid unsere Freunde!“ „Eines Tages, meine iranischen Freunde, werdet Ihr frei von dem bösen Regime sein, das euch terrorisiert, Schwule hängt, Journalisten ins Gefängnis wirft, politische Gefangene foltert und unschuldige Frauen wie Neda Sultan erschießt, die auf den Straßen Teherans zurückgelassen wurde, während sie an ihrem Blut erstickte. Ich habe Neda nicht vergessen. Ich bin sicher, Ihr auch nicht. Und wenn der Tag der Befreiung endlich gekommen ist, werden unsere beiden uralten Völker sicher wieder aufblühen.“
Den Atom-Deal mit dem Iran charakterisiert Netanyahu mit einem treffenden Bild: Dieses Abkommen versperrt dem Iran nicht den Weg zur Atombombe, „es pflastert ihn“. Damit schloss er sich dem amerikanischen Präsidenten an, der das vor zwei Jahren in Wien vereinbarte Abkommen als den „schlechtesten und einseitigsten Deal aller Zeiten“ und als „Peinlichkeit für die USA“ bezeichnet hatte.
Mit ihrer Einschätzung des Atomabkommens liegen Trump und Netanyahu weit näher an der Realität als die Europäer, die verbissen an ihrer Appeasement-Politik festhalten. Besonders peinlich war aus österreichischer Sicht der Kotau von Präsident Van der Bellen vor Präsident Rohani. „Die Regierung in Teheran erfülle das Atomabkommen auf Punkt und Beistrich. Darüber seien sich alle EU-Mitglieder einig. Es bestehe kein Grund, daran zu zweifeln, dass sich der Iran an den Vertrag halte“, zitierte die Presse Van der Bellens Statement. Erstens ist es aber schlichtweg falsch, dass der Iran das Abkommen erfüllt, zweitens fördert Van der Bellen damit die vom Iran gewollte Spaltung zwischen der EU und den USA, und drittens fällt er damit erneut der iranischen Zivilgesellschaft in den Rücken.
Bereits im Mai dieses Jahres hatte er sich durch seine Verharmlosung des Hijab und historische Unkenntnis hervorgetan, als er unter anderem sagte: „Bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. – Alle! – Als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun.“ Van der Bellen unterliegt dem links-liberalen Missverständnis, unsere Solidarität müsse den Kopftuch tragenden Frauen gelten, anstatt jenen, die sich davon befreien wollen. Dabei ist die Zivilgesellschaft im Iran ebenso mutig wie kreativ. Auf der Website mystealthyfreedom.net zeigen sich Iranerinnen öffentlich ohne Schleier. Weil Frauen im Iran nicht einmal öffentlich singen dürfen, veröffentlicht die Website unter dem Hashtag #MyForbiddenSong auch Videos von singenden Iranerinnen. Doch in der Auseinandersetzung liberaler Bürger mit ihrem diktatorischen Regime steht der österreichische Präsident verlässlich auf der falschen Seite. Und ist damit in Europa leider keine Ausnahme.
Vor allem aber verkennt oder leugnet Van der Bellen im Gegensatz zu Donald Trump und Benjamin Netanyahu den Charakter des Atomdeals mit dem Iran. Selbst wenn die iranische Regierung den Vertrag „auf Punkt und Beistrich“ erfüllt, kann sich der Iran in weniger als 15 Jahren atomar bewaffnen. Am Ende des Tages hat ein islamfaschistisches Regime die Atombombe, das wie kein anderes den weltweiten Terror fördert und der erbittertste Gegner Israels und der USA ist. „Schlechter Deal“ ist dafür eine überaus zurückhaltende Bezeichnung.
Doch der österreichische Präsident begnügte sich in New York nicht damit, Trump die Leviten zu lesen. Er überreichte ihm auch noch den Brief eines 11-jährigen Mädchens, das Trump ersucht, eine Lösung für den Klimawandel zu finden, „um unsere Zukunft zu retten“. Der tiefere Sinn dieser Aktion ist nicht überliefert. Vielleicht wollte Van der Bellen dezent darauf hinweisen, dass die jahrelange Indoktrination, pardon Aufklärung, bei österreichischen Kindern so erfolgreich war, dass sie sich vor der Zukunft ängstigen. Während 11-jährige Amerikanerinnen bekanntlich von ihren Müttern im SUV zum Schießstand chauffiert werden, wo sie frohen Mutes durch die Gegend ballern. Möglicherweise versteckt sich dahinter aber auch die Anregung einer diplomatischen Innovation: Man könnte ja auf der nächsten Nahost-Friedenskonferenz eine Videobotschaft abspielen, in der sich die Miss Unterpremstätten den Weltfrieden wünscht.
Der verstörende österreichische Auftritt in New York wurde vom Außenminister komplettiert. Österreich gehört zu jenen 51 Staaten, die keine Atomwaffen haben und einen Vertrag unterzeichnen, der Atomwaffen verbietet. Weil Atomwaffen gefährlich sind. Stimmt. Vor allem für jene, die keine haben, weshalb sich auch niemand freiwillig von ihnen trennt. Außer der Ukraine, und die sieht gerade, was sie davon hat. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis ein paar Mindestsicherungsbezieher ohne Führerschein einander vertraglich den Besitz von Lamborghinis verbieten, weil sie das für einen Beitrag zur Verkehrssicherheit halten.
Man könnte diese Initiative auf ihre humoristische Komponente reduzieren, wäre sie nicht ein weiterer Schritt zur Spaltung des Westens. Mit seiner Forderung, die NATO sollte sich der Abrüstungsinitiative „anschließen statt diese zu kritisieren“, untermauert der Außenminister, dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist. Konnte sich Österreich doch Jahrzehnte lang hinter der NATO verstecken, ohne für deren militärischen Schutz einen nennenswerten finanziellen Beitrag geleistet zu haben. Wie man – ohne vor Scham im Erdboden zu versinken – der NATO die atomare Entwaffnung nahe legen kann, während man gleichzeitig bei den atomaren Rüstungsanstrengungen des Irans beide Augen zudrückt, bleibt das Geheimnis der österreichischen Diplomatie.
Ein Freund schrieb in diesem Zusammenhang: Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge einen langen Schatten. Es gibt Tage, da kann man kaum erwarten, dass die Nacht die Welt wieder gnädig in Dunkelheit hüllt.