Ein Mord, ein Brief und ein Fußballspiel
Man mag sich nicht vorstellen, was Susanna durchgemacht haben muss, bevor sie starb. Sie wurde gequält, mehrfach vergewaltigt und erdrosselt. Ihr Martyrium dauerte sechs Stunden lang. Dann wurde sie von ihrem Mörder verscharrt. Susanna Feldmann war Jüdin. Sie wurde 14 Jahre alt. Ihr mutmaßlicher Mörder heißt Ali Bashar, ein 20-jähriger Asylwerber aus dem Irak. Im Oktober 2015 war er über die Türkei und Griechenland in Deutschland eingereist. Susanna kannte seinen Bruder, vielleicht auch ihn selbst. Ali Bashar ist kein unbeschriebenes Blatt.
Im April 2017 soll er eine Frau angepöbelt haben, es kam zu einer Schlägerei. Im Februar 2018 wurde er verdächtigt, einen Mann in der Wiesbadner Innenstadt zusammengeschlagen zu haben, die Indizien reichten für eine Anklage nicht aus. Einen Monat später rempelte er eine Stadtpolizistin an und schlug um sich. Ebenfalls im März soll er zusammen mit einem Komplizen einen Mann ausgeraubt haben, ein Messer sei im Spiel gewesen. Bei einer Polizeikontrolle im April fand die Polizei ein verbotenes Messer bei ihm. Der schwerste Vorwurf: Er hätte eine 11-Jährige (!) aus derselben Flüchtlingsunterkunft vergewaltigt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Am 2. Juni, 11 Tage nach der Tat, brachen Ali Bashar und seine gesamte Familie, Vater, Mutter und 5 Geschwister, überhastet aus der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim auf. Von Düsseldorf flogen sie nach Istanbul und von dort ins irakische Erbil. Sie reisten unter einem anderen Namen aus als sie in der Unterkunft registriert waren. Die Reisedokumente seien von irakischen Behörden ausgestellt worden, gab die Polizei bekannt. Die achtköpfige Familie konnte, obwohl angeblich in ihrer Heimat verfolgt, problemlos mit irakischen Papieren in den Irak reisen.
Nach der Pressekonferenz warnten die deutschen Innenminister nicht vor jungen Männern unbekannter Herkunft und Identität, sondern vor einer politisch aufgeladenen Debatte. Das dürfe jetzt niemand instrumentalisieren, hieß es.
Deutschland hat seit 2015 rd. 1,5 Millionen Menschen ins Land gelassen, von denen sich drei Viertel nicht ausweisen konnten oder wollten, die meisten waren junge Männer. Die Asylverfahren des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) waren in weiten Teilen eine Farce. In zehntausenden Fällen wurde mit den Antragstellern nicht einmal gesprochen, bevor man ihnen Asyl bescheinigt hat. Ein Formular musste genügen. Wofür man bis vor kurzem noch als rechts verleumdet worden ist, wenn man es thematisierte, ist inzwischen allgemein bekannt. Und dieselben Journalisten, die mehr als zwei Jahre lang alle zu AfD-Sympathisanten stempelten, die vor den Folgen des staatlichen Kontrollverlusts gewarnt haben, fragen nun mit besorgter Miene, ob man nicht vielleicht hätte genauer hinsehen müssen. Die Brandstifter beklagen das späte Eintreffen der Feuerwehr.
Am 6. Juni, dem Tag, an dem Susannas Leiche gefunden wurde, stellte sich Angela Merkel im Deutschen Bundestag eine Stunde lang den Fragen der Abgeordneten zur Bamf-Affäre. Es habe 2015 eine »außergewöhnliche humanitäre Situation« gegeben, sagte sie. Deutschland habe »verantwortlich« und »rechtmäßig« gehandelt, sagte sie. »Die politischen Grundentscheidungen waren richtig.«, sagte sie.
Am selben Tag wurde bekannt, dass das Bamf hunderte erfahrene Mitarbeiter durch gänzlich unerfahrene Neueinstellungen ersetzen müsse. Die Gesetzeslage verbiete Kettenverträge für sachgrundlos befristete Mitarbeiter. Daher komme es zu der bedauerlichen Situation, dass erfahrene Mitarbeitende nicht weiterbeschäftigt werden könnten, obwohl in ihren Tätigkeitsfeldern gegenwärtig Bedarf bestünde.
Am 7. Juni, dem Tag, an dem Staatsanwaltschaft und Polizei in einer gemeinsamen Pressekonferenz den Ermittlungsstand zum Mord an Susanna Feldmann bekanntgaben, kritisierte Angela Merkel die Migrationspolitik einiger osteuropäischer »Europa kann nicht darauf beruhen, dass Recht und Absprachen nicht eingehalten werden«, mahnte »Das ist die Loyalität, die man eingeht, wenn man Mitglied der EU sein will.« Falls Europa kein Raum des Rechts mehr sei, höre es auf zu existieren, sagte sie. Damit war freilich nicht das einseitige, unkoordinierte Aussetzen des Schengener Abkommens gemeint, sondern die Weigerung Polens und Ungarns, sich Migranten zuteilen zu lassen, die gar nicht nach Polen oder Ungarn wollen.
Am 6. Juni wurde auch ein Schreiben von Deutschland, Frankreich und Großbritannien an US-Außenminister Mike Pompeo und Finanzminister Steven Mnuchin »Das Schreiben wurde von Außenminister Heiko Maas, Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterzeichnet. Neben ihren Amtskollegen aus den sogenannten E3-Staaten gehört auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zu den Absendern«, berichtet der SPIEGEL. Die Absender fordern, Unternehmen aus der EU, die Geschäftsbeziehungen mit dem Iran pflegen, von den Sanktionen auszunehmen. Auch sollten ganze Geschäftsbereiche von den Sanktionen ausgeklammert werden, unter anderem die Pharma-, Energie- und Autobranche.; auch Geschäfte mit iranischen Banken sollten erlaubt bleiben. Das Abkommen sei immer noch »die beste Möglichkeit, um einen nuklear bewaffneten Iran zu verhindern«.
Die Chuzpe im Klartext: was schert uns, ob der Iran in 10 Jahren atomar bewaffnet ist, wenn wir heute ein paar Euro mit ihm machen können. Abgesehen von der offensichtlichen Hilflosigkeit, die aus diesen Zeilen spricht: Man wird sich hoffentlich an den Brief erinnern, wenn irgendwann wieder einmal die »No Blood for Oil«-Plakate aus dem Keller geholt werden.
Ebenfalls am 6. Juni sagte Argentinien ein Fußball-Freundschaftsspiel mit Israel ab. Das Sicherheitsrisiko sei für Argentinien zu hoch. Der palästinensische Verbandspräsident Jibril Rajou hatte Lionel Messi und dessen Familie persönlich bedroht. Die Argentinier knickten ein und beugten sich. Jibril Rajou war 1970 in Israel nach einem Granaten-Angriff auf einen Militär-LKW zu lebenslanger Haft verurteilt worden, kam aber 1985 im Zuge eines Gefangenenaustauschs frei. Er war Arafats Sicherheitschef und nannte das Gedenken für die elf israelischen Athleten »rassistisch«, die 1972 bei den olympischen Spielen in München von Terroristen der PFLP ermordet wurden. 2015 beantragte er den Ausschluss Israels aus der FIFA, der Antrag wurde jedoch zurückgezogen. In einem Interview mit dem TV-Sender Al-Mayadeen sagte Rajoub am 30. April »Wir haben keine Atombombe, aber ich schwöre, wenn wir eine Atombombe hätten, hätten wir sie diesen Morgen benutzt.«
Von einem Protest Deutschlands, der EU, der UEFA oder FIFA gegen die Absage ist nichts bekannt. Man sieht kommentarlos dabei zu, wie palästinensische Terroristen ganze Länder erpressen. Über den terroristischen Hintergrund des palästinensischen Verbandspräsidenten war in den deutschsprachigen Medien so gut wie nichts zu lesen.
Keines dieser Ereignisse hängt unmittelbar mit den anderen zusammen. Und doch fügen sie sich zu einem Bild. Deutschland hat die Kontrolle über die innere Sicherheit noch immer nicht wiedererlangt, maßregelt aber dennoch unbeeindruckt vom eigenen Versagen in dieser Frage seine Nachbarn. Die Kanzlerin hat keine neuen Kleider, es traut sich ihr nur noch niemand sagen, dass sie nackt ist. Europas Nahostpolitik ist heuchlerisch, plan- und hilflos. Und Israel ist im Fall des Falles auf sich allein gestellt.
Zwei Tage im Juni. Im Westen nichts Neues.
Zuerst erschienen auf mena-watch
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