Begräbnis des Terroristen Taysir al-Jabari in Gaza (© imago images/ZUMA Wire)
Die Tötung des al-Qaida-Chefs Aiman az-Zawahiri und des Kommandanten des Palästinensischen Islamischen Dschihad, Tayseer al-Jabari, wirft Fragen auf.
Drei Tage nach der Verhaftung des Anführers der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ), Bassem Saadi, stand für Israel am Freitag fest, dass Terroranschläge unmittelbar bevorstehen würden, orchestriert vom PIJ-Kommandanten Tayseer al-Jabari. In einem gezielten Angriff auf seine Wohnung wurden al-Jabari und Mitglieder seiner Zelle ausgeschaltet. Bei dem Angriff kamen auch Zivilisten ums Leben, unter ihnen ein fünfjähriges Mädchen.
Rückblende. Am Montag betrat Aiman az-Zawahiri, seit elf Jahren Chef der al-Qaida, den Balkon seiner Wohnung in der afghanischen Hauptstadt Kabul, mitten im Diplomatenviertel Sherpur, unmittelbar neben Banken, Lebensmittelläden und einer Hauptstraße. Dort rissen ihn zwei amerikanische »Hellfire«-Raketen in Stücke, niemand sonst wurde verletzt, auch nicht die Familienangehörigen im selben Haus. Der präzise Einsatz war monatelang vorbereitet worden.
Staatlich angeordneter Mord?
In beiden Fällen griffen demokratische Staaten zielgerichtet Personen an, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, möglichst viele unbeteiligte Zivilisten ihrer Länder zu ermorden. In beiden Fällen wurden die Schläge so präzise wie möglich durchgeführt, der Unterschied liegt in der jeweiligen Planungsdauer begründet. In beiden Fällen haben die Staatschefs, die die Einsätze befohlen hatten, künftige Terrorakte gegen ihre Staatsbürger erschwert und deren Leben geschützt. Und ohne jeden Zweifel ist die Welt ohne az-Zawahiri und al-Jabari ein besserer Ort.
Dennoch – wie immer, wenn die USA und Israel beteiligt sind – melden sich Kritiker prompt mit rechtsstaatlichen und moralischen Einwänden zu Wort. Ihre Argumente erscheinen auf den ersten Blick durchaus stichhaltig. Heinrich Schmitz zum Beispiel, Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Blogger, schreibt in seiner Kolumne über die Tötung az-Zawahiris unter anderem:
»Ich habe da so meine Zweifel, dass derartige Aktionen irgendetwas mit Gerechtigkeit zu tun haben, und zwar ganz gleich, wer sie durchführt und wen sie betreffen. Es sind Hinrichtungen ohne rechtsstaatliches Verfahren, ohne die Möglichkeit sich zu verteidigen. Solche staatlichen Tötungen verstoßen so ziemlich gegen alles, was einen Rechtsstaat ausmacht. Es sind Morde, auch wenn die Opfer ihrerseits Mörder gewesen sein mögen. …
Die heimtückische Tötung eines Menschen – und was soll es anders als heimtückisch sein, wenn man einen alten Mann mit einer Drohne von seinem Balkon ballert – während man selbst entspannt in irgendeinem Kontrollzentrum sitzt – ist Mord. …
Terroristen sind des einen Verbrecher und des anderen Freiheitskämpfer. Immer wenn sie unbeteiligte Zivilisten in die Luft jagen, sind sie für mich, ganz gleich welche heroischen Motive sie haben mögen, Verbrecher. Und Verbrecher gehören verfolgt und bestraft. Aber sie gehören, sofern es nicht in Notwehr geschieht, nicht abgeknallt wie ein räudiger Hund, sondern festgenommen und vor ein Gericht gestellt.«
Der »war on terror« ist ein Krieg gegen Terroristen
Schmitz unterlaufen hier gleich drei populäre Fehler. Erstens macht es sehr wohl einen Unterschied, wer wen aus welchem Motiv tötet. Genau genommen ist das sogar die einzige Frage, die sich überhaupt stellt, wenn man nach Gerechtigkeit fragt. Was Schmidt als »heimtückisches vom Balkon Ballern eines alten Mannes« darstellt, war das Ende der weltweiten Suche nach einem internationalen Top-Terroristen, an dem das Blut von Tausenden Unschuldigen klebte. Wer den Unterschied zwischen dem Soldaten einer regulären Armee unter demokratischer Führung und Kontrolle und einem jahrzehntelang höchst »erfolgreichen« Terroristen dermaßen herunterspielt, sollte mit Urteilen über Gerechtigkeit vielleicht etwas zurückhaltender sein.
Zweitens ist der Terrorismus der az-Zawahiris und Jabaris eine Form der Kriegsführung. In diesem asymmetrischen Krieg stehen reguläre Armeen demokratischer Staaten einem Gegner gegenüber, der sich keinerlei moralischen oder rechtlichen Normen der Kriegsführung unterwirft. Wer ernsthaft meint, Demokratien dürften sich gegen Terroristen, die ihre Basis in anderen Ländern haben, nur mit polizeilichen und juristischen Mitteln verteidigen anstatt mit militärischen, ist herzlich eingeladen, die Haftbefehle zuzustellen und die Angeklagten in den Gerichtssaal zu bringen. Was uns zum dritten Punkt führt:
Terrorismus und Freiheitskampf gleichzusetzen und deren Unterscheidung von der Perspektive des Betrachters abhängig zu machen, ist moralisch inakzeptabel und faktisch falsch. Freiheitskampf ist ein Ziel – der Kampf um Freiheit –, Terrorismus eine Methode, nämlich die vorsätzliche Anwendung von Gewalt gegen Zivilpersonen oder zivile Objekte zur Erreichung politischer Ziele. Die Begriffe schließen einander nicht aus. Auch ein Freiheitskämpfer, der vorsätzlich Gewalt gegen zivile Ziele anwendet, ist ein Terrorist. Mit dem Begriff »Verbrecher« führt Schmitz erneut auf die falsche Fährte: Verbrecher verfolgt man mit polizeilichen Methoden, Kriegsgegner mit militärischen. Im Kampf gegen Terroristen sind beide Methoden gleichermaßen legitim.
Schmitz bezieht sich in seiner Kolumne ausschließlich auf die Tötung az-Zawahiris. Ob er den Angriff auf Jabari für gerechtfertigt hält, weiß ich nicht. Aber die meistgehörten Argumente gegen beide Angriffe sind einander im Kern ähnlich, darum wird ihnen an dieser Stelle so viel Platz eingeräumt.
Zivile Opfer
Während reguläre Armeen versuchen, die Zahl von zivilen Opfern so gering wie möglich zu halten, suchen Terroristen das genaue Gegenteil. Je größer die Zahl der Opfer ihrer Anschläge, desto größer der militärische Erfolg; je größer die Zahl der zivilen Opfer in den eigenen Reihen, desto größer der propagandistische.
In der Nacht zum Samstag hat der Islamische Dschihad über 160 Raketen aus Gaza auf Israel abgefeuert. Jede einzelne von ihnen zielte auf Zivilisten, jede einzelne ist ein terroristischer Akt. Nur dem Iron Dome und den öffentlichen Sicherheitseinrichtungen ist es zu verdanken, dass solche Terrorakte nicht mehr Opfer fordern.
Demgegenüber unternimmt Israel mehr als jede andere Armee der Welt, um die Zivilisten des Gegners in der Kampfzone zu schützen. Dennoch sind in jedem Krieg unbeteiligte Opfer unvermeidlich. Die palästinensische Taktik, sich hinter der eigenen Zivilbevölkerung zu verstecken, kann nicht zur Folge haben, die eigene Bevölkerung widerstandslos dem Terror auszuliefern.
Alaa Kaddum wurde nur fünf Jahre alt. Sie wurde bei dem Angriff auf Jabari getötet. Ihr Tod ist eine Tragödie. Eine Tragödie war auch der Tod von Ido Avigal, einem fünfjährigen Jungen aus Sderot, der im Mai 2021 durch eine Rakete der Hamas getötet wurde. Nicht nur die Tränen der Eltern gleichen einander. Beide Kinder waren direkt oder indirekt Opfer der Terrorbanden, die Gaza in ihrer Gewalt haben.
Zuerst veröffentlicht auf MENA-WATCH.
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