WEIBLICH, LINKS, ANTISEMITISCH

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Photo: Laurie Shaull, CC BY-SA 2.0

Die Jungstars der US-Demokraten

Unter dem Jubel ihrer Anhänger betont Ilhan Omar bei ihrem erstem Auftritt als gewählte Abgeordnete stolz die vielen »erste« hinter ihrem Namen: Die erste farbige Frau, die den Bundesstaat Minnesota im Kongress repräsentiert, die erste Frau, die einen Hijab trägt, der erste Flüchtling und eine der ersten muslimischen Frauen, die in den Kongress gewählt wurden. Omar wurde 1981 als jüngstes von acht Kindern in Somalia geboren und wanderte mit ihren Eltern 1995 in die USA ein. Auf ihrem Twitter Account beschreibt sich die Politikwissenschaftlerin als »Mutter, Flüchtling und intersektionelle Feministin«.

Kaum weniger spektakulär ist der Aufstieg der zweiten ersten muslimischen Frau, die bei den Midterms 2018 in den Kongress gewählt wurde. Rashida Tlaib ist die Tochter von palästinensischen Einwanderern aus der Gegend von Ramallah und wurde 1976 als ältestes von 14 Kindern in Detroit geboren. Sie studierte ebenfalls Politikwissenschaften und ist als Rechtsanwältin zugelassen. Den Wahlabend, der in einem Video festgehalten ist, verbrachte sie zu Tränen gerührt zusammen mit ihren Helfern an der Seite ihrer Mutter: Immer wieder betont die frisch gewählte US-Abgeordnete ihre Identität als Palästinenserin, ihre Mutter schwenkt die palästinensische Fahne, eine Fahne von Michigan oder den Vereinigten Staaten ist nicht zu sehen.

Die antisemitischen Damen der Dems

»Zwei Muslima schreiben US-Geschichte«, jubelt man dies- und jenseits des Atlantik. Doch es gibt noch eine andere Gemeinsamkeit der beiden frisch gebackenen Abgeordneten: Ihr Hass auf Israel.

»Israel hat die Welt hypnotisiert, möge Allah die Menschen erwecken und ihnen helfen, die bösen Taten Israels zu sehen.«, twitterte Omar 2012. Im Parlament von Minnesota hielt sie 2017 eine flammende Rede gegen ein Gesetz gegen den Boykott Israels, das von beiden Parteien unterstützt wurde. Sie verglich Israel mit Südafrika und bezeichnete es als »Apartheids-Regime«. Omar forderte die Universität von Minnesota auf, sich aus einem Investment in israelische Anleihen zurückzuziehen. Erst im Laufe der Vorwahlen für ihre Kandidatur revidierte sie im August 2018 einen Teil ihrer früheren Aussagen und sprach sich für eine Zweistaatenlösung und gegen den umfassenden Boykott Israels aus. Ein Sinneswandel, der wohl eher wahltaktisch motiviert sein dürfte.

Omars Wahlbezirk ist demokratisches Kernland. Wer die Vorwahlen der Demokraten gewinnt, hat ein sicheres Ticket nach Washington. Die tausenden jüdischen Wähler scheinen sich an fragwürdigen Positionen demokratischer Kandidaten nicht zu stören. Omars Vorgänger, Keith Ellison, wurde als erster Afro-Amerikaner in den Kongress von Minnesota gewählt und als erster Muslim überhaupt in den US-Kongress. Er war Mitglied der rassistischen Nation of Islam von Louis Farrakhan und verglich 2007 die Anschläge von 9/11 mit dem Reichstagsbrand und Präsident Bush mit Hitler. Geschadet hat ihm das alles nicht, bei den Midterms wurde er mit deutlicher Mehrheit zum Generalstaatsanwalt von Minnesota gewählt.

Auch Rashida Tlaib unterstützt massiv die BDS-Bewegung, solidarisierte sich mit der Gaza-Flotille und ist gegen jegliche Militärhilfe der USA für Israel: »Ich werde keine rassistischen Länder unterstützen, die auswählen, wer Zugang zur Justiz erhält.« Gemeinsam mit Aktivisten der Black Lives Matter Bewegung protestierte sie gegen die Ausweisung von Rasmea Odeh, die 1969 eine Serie von Bombenanschlägen in Jerusalem verübt hatte, bei der zwei israelische Studenten getötet und neun Menschen verletzt worden waren. 1970 in Israel zu lebenslanger Haft verurteilt, kam Odeh später im Zuge eines Gefangenenaustauschs frei und ging in die USA. Weil sie bei ihrer Einwanderung ihre Beteiligung an den Attentaten und ihre Verurteilung verschwiegen hatte, wurde ihr die amerikanische Staatsbürgerschaft entzogen und ihre Ausweisung nach Jordanien verfügt. Doch für Tlaib wiegt palästinensische Solidarität schwerer als Mord.

Tlaib ist eine vehemente Verfechterin des »Rückkehrrechts« für Palästinenser, das nach der Flüchtlingsdefinition der UNRWA auch sie selbst und ihre seit Jahrzenten in den USA lebende Familie einschließen würde. Geboren und aufgewachsen in Detroit, Kongressabgeordnete in Washington – eine palästinensische Flüchtlingsstory, die fast so rührend ist wie jene der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli.

Auch der dritte demokratische Jungstar, Alexandria Ocasio-Cortez, die als jüngste Abgeordnete der Geschichte in den Kongress einziehen wird, hat ein problematisches Verhältnis zu Israel. Sie spricht von einem »Massaker« an der Grenze zu Gaza, beklagt die »Besetzung Palästinas« und betont gleichzeitig, dass sie keine Expertin in geopolitischen Fragen sei, deshalb vielleicht nicht immer die richtigen Worte fände, und das Thema nicht jede Nacht auf ihrem Küchentisch liege. An Häme mangelt es ob solcher Aussagen nicht. »Israel ist ein kolonialistischer Besatzer Palästinas und sie weiß, dass sie nicht das Geringste über den Konflikt weiß. Ganz genau: wer so denkt hat keine Ahnung, wovon er spricht. Wenigstens ist sie ehrlich.«, twitterte Seth Mandel von der New York Post. Wie Tlaib gehört Ocasio-Cortez zum linken Flügel der Partei, den Democratic Socialists of America (DSA). Die DSA unterstützen die BDS-Bewegung. Ocasio-Cortez hat sich bisher nicht zu BDS geäußert.

Alle drei sind gut vernetzt – untereinander und mit Linda Sarsour, einer weiteren antisemitischen Aktivistin, die es in den letzten Jahren zu internationaler Bekanntheit brachte. Alle drei gehören zum äußeren linken Rand der Demokraten, der durch die überraschende Popularität Bernie Sanders‘ bei den Vorwahlen gegen Hillary Clinton beflügelt wurde.

Liegt in der Identitätspolitik die Zukunft der Linken?

In der linken Identitätspolitik bestimmt die Gruppenzughörigkeit die Legitimität des politischen Standpunkts. Unterschiedliche Interessen und Lebenswirklichkeiten innerhalb der jeweiligen Gruppe werden eingeebnet. Moralischer Anspruch und politische Wertigkeit der Gruppen messen sich daran, ob sie als Unterdrücker oder Unterdrückte wahrgenommen werden. »Alte weiße Männer« schneiden in diesem Modell naturgemäß deutlich schlechter ab als muslimische Frauen, für »refugee«, »woman of colour« und »Hijab« gibt es Bonuspunkte auf der nach oben offenen Opferskala.

Dabei ist Identitätspolitik alles andere als neu. Vor mehr als zweihundert Jahren wandte sich der Universalismus der Aufklärung gegen eine Identitätspolitik, die jedem Menschen seinen Platz in der Gesellschaft als Teil einer gottgewollten Ordnung zuwies. Erst das Bild vom selbstbestimmten Menschen, der befähigt und berechtigt ist, seinen Platz unabhängig von seiner Herkunft zu suchen, stellte das Individuum über Stand oder Religion. In ihrer extremsten Ausprägung mündete die Definition des Menschen über dessen Gruppenzugehörigkeit in Nationalismus und Rassismus, letztlich im Holocaust.

»Linksliberale sollten sich in Erinnerung rufen, dass die erste Bewegung, die sich in Amerika auf Identität berief, der Ku-Klux-Klan war, der bis heute existiert. Wer sich aufs Identitätsspiel einlässt, sollte sich bewusst sein, dass er dabei verlieren kann.«, warnt der Professor für Ideengeschichte Mark Lilla, und fordert die Linksliberalen auf, sich auf ihre Kernanliegen zu besinnen anstatt Interessensgruppen zu hofieren.

Für die Linke ist identitäre Politik jedoch verführerisch. Zum einen zielt sie auf dynamisch wachsende Bevölkerungsgruppen wie Einwanderer und Muslime, was mangelnden Zuspruch der Wählerschaft zu einem demographischen Phänomen schrumpfen lässt, das sich mit der Zeit von selbst löst. Zum anderen ist Gruppenzugehörigkeit leichter zu kommunizieren als politischer Inhalt. Die Medien lieben es einfach.

So wird der Hijab in seiner identitären Vereinfachung vom Banner eines reaktionären Frauenbilds zum Zeichen für die Vielfalt in der Gesellschaft, die sich nun auch im Kongress abbildet. Die Merkmale junge Frau, Muslima und Flüchtling, die inhaltlich nicht das geringste über die jeweilige politische Position aussagen, werden zu plakativen Antipoden zum Bild vom alten weißen Mann. Das Neue steht gegen das Alte, das Unverbrauchte gegen das Mächtige. Doch der Schein trügt. Hinter der Fassade lauern alte Bekannte: Antisemitismus und Sozialismus. Ob darin die Zukunft der Linken liegt?

Zuerst erschienen auf mena-watch

Nachtrag:

Ein aufmerksamer Leser machte mich auf dieses Video aufmerksam. Es zeigt Congresswoman Rashida Tlaib auf einem »Protestmarsch für Palästina« in Detroit am 13.7.2014, umweht von palästinensischen Fahnen. Der Herr hinter ihr, der sie am Beginn vorstellt, hat zumindest eine auffallende Ähnlichkeit mit dem Hizbollah-Unterstützer Abbas Hamideh, dem Mitbegründer der Bewegung Al-Awda, einem »Bündnis zum Palästinensischen Recht auf Rückkehr«. Alex VanNess schreibt über dieses Bündnis: »…make no mistake, this organization does not want peace. This organization is calling for the mass expulsion of Jews.«

Wir haben das Video lokal gespeichert, für den Fall, dass es von YouTube gelöscht werden sollte.

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Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.