Was zu viel ist, ist zu viel

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Die exzessive Sozialhilfe für eine 9-köpfige syrische Familie in Wien ist empörend. Und wirft die grundsätzliche Frage auf, wer für Kinder verantwortlich ist: Eltern oder Staat. 

Wien ist anders. 4.600 Euro netto arbeitsloses Einkommen pro Monat, plus Kinderbeihilfe, Klimabonus, ORF-Beitragsbefreiung, verbilligte Öffi-Tickets und alle sonstigen Vergünstigungen, die von der arbeitenden Bevölkerung finanziert werden. Und natürlich kostenlose medizinische Versorgung für die ganze Familie. 

Wie man es auch dreht und wendet: das ist der Bevölkerung nicht vermittelbar. Nicht den weit über 90 Prozent, die jeden Tag zur Arbeit gehen und netto weit weniger verdienen. Und schon gar nicht all den Zuwanderern, die sich hier weitergebildet, die Sprache gelernt und Arbeit gefunden haben, um eine Familie gründen zu können. 

Der aktuelle Mindestlohn in Syrien liegt übrigens bei rd. 13 (in Worten: dreizehn) Dollar monatlich. Das durchschnittliche Monatseinkommen lag 2020 bei rd. 81 Dollar. So viel zum Thema, Geld sei kein Pullfaktor. Selbst wenn Sozialleistungen kein vorrangiger Migrationsgrund sein mögen, entscheiden sie doch darüber, wo man sich am Ende niederlässt. „Es wäre eine Beleidigung der Intelligenz dieser Menschen, dass sie nicht genau wissen, wie viel Geld sie in Österreich bekommen für sich und ihre Kinder“, beschreibt Clemens Neuhold im profil, wie gut (nicht nur) syrische Migranten über die finanziellen Rahmenbedingungen hierzulande informiert sind. 

Sozialhilfe rechnet sich freilich auch mit weniger Kindern. Der Steuerberater Gottfried Schellmann hat dem Falter vorgerechnet, dass eine Familie mit drei Kindern einschließlich aller Transfers in Wien 42.921,24 netto pro Jahr aufs Konto überwiesen bekommt. „In diesem System kann man sich Einkommen erkopulieren“, formuliert Schellmann im Kurier. Alle anderen Bundesländer – und sämtliche europäische Staaten – zahlen weit weniger aus, ohne dass bedürftige Familien mit oder ohne Migrationshintergrund auf der Straße leben müssten. 

Mit einer gern unterstellten „Neiddebatte“ hat die Kritik am Sozialsystem nichts zu tun. Denn sobald die Kombination aus Transferleistungen und gelegentlicher Schwarzarbeit einkömmlicher wird als reguläre Erwerbstätigkeit, zahlt sich Arbeit nicht mehr aus. Dann ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis der Sozialstaat zerbricht. 

Schon jetzt wird der österreichische Wohlfahrtsstaat nur mehr „von einer Minderheit getragen“, wie die EcoAustria in einer Studie berechnet hat: Von den 4,1 Millionen Haushalten sind nur 1,7 Millionen Nettozahler (42,3 Prozent). Knapp 60 Prozent aller Haushalte sind demnach Nettoempfänger von Sozialtransfers, Sachleistungen oder Einkommen aus der Sozialversicherung.

Vor diesem Hintergrund ist die pampige Reaktion des zuständigen Sozialstadtrats Peter Hacker auf die Kritik an der Höhe der Zuwendungen ausgesprochen zynisch. Wenn „jedes Kind in Wien herzlich willkommen“ ist, muss Wien auch jedes Kind auf ein erfolgreiches Erwachsenenleben vorbereiten. Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn zwei Drittel der lehrstellensuchenden Pflichtschulabgänger in Wien nicht berufsfähig Lesen, Schreiben und Rechnen können. Eine milieubedingte Benachteiligung von Kindern lässt sich nicht einfach beheben, indem man den Eltern mehr Geld in die Hand drückt. 

Wer ist für Kinder verantwortlich: der Staat oder die Eltern?

Gerade bei der Zuwanderung wird ein Umdenken notwendig sein. Das Prinzip einer einwanderungsfreundlichen Politik ist einfach: Wer sich aus eigener Kraft ernähren kann, ist willkommen. Das gilt auch für den Familiennachzug. Wer seine Familie oder Teile davon zu sich holen will, sollte auch in der Lage sein, sie zu versorgen. 

Die Verantwortung der Familie

Die unzähligen Kommentare in den Medien und an den digitalen Lagerfeuern drehen sich vor allem um die Herkunft der Empfänger oder die Höhe des Betrags. Dabei stellt sich in Wahrheit eine viel grundsätzlichere Frage: Wer ist für Kinder verantwortlich: der Staat oder die Eltern?

Die Fürsorge für den eigenen Nachwuchs ist ein Grundprinzip der Evolution. Jede Amsel ernährt ihre Jungen. Und Eltern sorgen für ihre Kinder. Was auch heißt, dass Eltern die finanzielle Verantwortung für ihre Kinder tragen. Sie sorgen für Nahrung, Kleidung, Bildung und alles andere.

Das Gießkannenprinzip untergräbt das Grundprinzip der Familie, füreinander Verantwortung zu übernehmen. Wir verteilen Kinderbeihilfe, Schulbücher, Klimatickets und vieles andere mehr an Familien, die das alles locker selbst finanzieren können. Gleichzeitig finanzieren wir Eltern, die das Geld der Steuerzahler am wenigsten für ihre Kinder ausgeben, sondern für alles Mögliche. 

Das muss nicht so bleiben. Bildungsdefizite ließen sich am schnellsten im Internatsbetrieb beheben. So manche Beihilfe ließe sich durch Sachleistungen ersetzen, Stichwort Büchergutscheine. Der Staat könnte die Institution der Familie durch steuerliche Privilegien stärken. Indem er die Verantwortung für die Kinder von den Eltern zur Öffentlichen Hand verschiebt, schwächt er sie.

Möglicherweise mit Kalkül. Die Familie ist der Kern alles Privaten. Jener Bereich, in dem der Staat im Grunde nichts verloren hat, abgesehen vom Schutz der von häuslicher Gewalt Betroffenen. Doch der Staat erschwert mit exzessiven Abgaben immer mehr Eltern, selbst für ihre Kinder zu sorgen, und macht sie von Transferleistungen abhängig. Wenn die Familie die Keimzelle der Gesellschaft sein soll, ist das nicht wohltätig, sondern übergriffig. Der aktuelle Fall wäre ein geeigneter Anlass, über das Verhältnis von Staat und Familie zu diskutieren. 

Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.