Terror 2017: viermal so viele Opfer wie 9/11
Diesmal New York. 8 Tote, 11 Verletzte. Der Täter, Sayfullo Saipow, 29 Jahre alt, aus Usbekistan, seit 2010 legal mit einer Green Card in den USA, wollte für den IS so viele Menschen wie möglich töten. Menschen, die er nie zuvor gesehen hatte, Menschen, die ihm nie zuvor begegnet waren, Menschen, die ihm nicht das Geringste angetan hatten.
Was den Mörder umtrieb, war nichts Persönliches. Religion, Nationalität oder Charakter der Opfer spielten keine Rolle. Egal ob sie warmherzig, freundlich und hilfsbereit waren oder rücksichtslose, militante Rassisten: mit keinem Verhalten, mit keiner Eigenschaft, hätten sie ihren Tod verhindern können. Sie wurden ermordet, weil sie zu dieser Zeit an diesem Ort waren. Die Zufälligkeit der Opfer ist charakteristisch für jeden Terroranschlag. Die Opfer haben nichts gemeinsam, die Täter fast immer. Auch in Lower Manhattan lag das Motiv für den achtfachen Mord in der Religion des Mörders.
Erinnern Sie sich, wo Sie am 11.9.2001 waren? Ich weiß es noch genau. Manche Tage brennen sich ins kollektive Gedächtnis von Generationen, wie die Ermordung Kennedys, die erste Mondlandung, der Tod von Lady Di. Seither haben wir uns an den islamischen Terror gewöhnt. Wir haben das Risiko, vielleicht selbst einmal zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, akzeptiert. Ob Terrorist oder betrunkener Autofahrer, ob Blitzschlag oder Fischgräte – das Leben ist lebensgefährlich, was soll’s. Kaum jemand erinnert sich an die Zeit, in der man ein Flugzeug bestieg wie einen Zug, ohne Ganzkörper-Scan, ohne den Gürtel abzulegen und die Schuhe auszuziehen
Die Terroristen haben längst gewonnen. Sie haben unseren Alltag verändert. Und sie haben erreicht, dass man sich mit Kritik am Islam besser zurückhält, ganz besondere Vorsicht im Umgang mit Muslimen und im Diskurs über ihre Religion walten lässt. Ist der Vorwurf der „Islamophobie“ erst einmal erhoben, ist die gesellschaftliche Ächtung nicht mehr weit.
Wir nehmen hin, dass banale, alltägliche Freizeitvergnügen wie der Besuch eines Konzerts, eines Weihnachtsmarkts oder einer Halloween-Party zu einem Hochamt erhöht werden, bei dem wir unsere Lebensart zelebrieren. Ohne Murren lassen wir uns gefallen, dass die, deren Aufgabe es wäre, unsere Sicherheit zu gewährleisten, uns stattdessen staatstragend auffordern, weiterhin „frei, miteinander und offen“ zu leben: „Es geht uns alle an, unsere offene und freie Gesellschaft gegen Hass, Fanatismus und Gewalt zu verteidigen. Wir werden uns unsere Freiheit nicht nehmen lassen“, hieß es in einer Erklärung der Grünen nach dem Anschlag am Berliner Weihnachtsmarkt. Der FDP-Chef Christian Lindner mahnte, Deutschland müsse seine Liberalität behalten. All diese feierlichen Appelle haben einen Schönheitsfehler: Sie richten sich an die potenziellen Opfer, nicht an die Täter und deren Umfeld. Es sind Durchhalteparolen an die, „die schon länger hier leben“. Macht weiter wie bisher, lautet die Botschaft, tun wir ja schließlich auch.
Doch kann man wirklich so weitertun wie bisher? Wollen wir uns mit der Lüge abfinden, dass man solche Anschläge nicht verhindern könne? Nicht nur die Anschläge am Berliner Breitscheidplatz und im Pariser Bataclan hätte man verhindern können. Fast alle Attentäter in den letzten Jahren waren amtsbekannte radikale Muslime, oft Kleinkriminelle. Wir haben nur weder die Mittel, um alle „Gefährder“ lückenlos zu überwachen, noch die gesetzlichen Grundlagen, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Es ist Aufgabe der Regierung, entweder für das eine oder das andere zu sorgen. Terroristen brauchen ein Umfeld, in dem sie schwimmen können wie ein Fisch im Wasser. Hinter jedem Terroristen, der sich irgendwann „spontan radikalisiert“ hat, stehen Imame, Moscheevereine, Sympathisanten. Wollen wir den Terrorismus besiegen, müssen wir dieses Umfeld trockenlegen. Auch gegen den erwartbaren Widerstand einer Meinungselite, die mitgeholfen hat, dass sich der Islam als einzige Religionsgemeinschaft gegen Kritik immunisieren konnte. Was hervorragend gelungen ist, wie im Umfeld eines Anschlags immer besonders deutlich wird.
An der Grafik, die ZDF heute auf Facebook veröffentlicht hat, stimmt nichts außer das Wo und Wann. Aus einem vermutlichen Terroranschlag wird ein „Vorfall mit Fahrzeug“. Aus einem Mann, der mit einem Kleintransporter in eine Menschenmenge rast, wird ein Kleintransporter, der in eine Menschenmenge fährt, ganz als wäre er von Geisterhand gesteuert worden. Und vom 29-jährigen Mann wusste man zu diesem Zeitpunkt längst, dass es sich nicht um einen radikalen Christen gehandelt haben dürfte. Die Antwort auf die Frage „warum“ bleibt ZDF heute schuldig, die Rede des Bürgermeisters dürfte ja wohl kaum das Motiv gewesen sein. Sorgsam gewählte Worte, schön aufbereitet, ohne jeden Informationsgehalt. Wenn sich Journalismus der Volkserziehung verpflichtet fühlt statt der Information, muss man sich über „Lückenpresse“-Rufe nicht wundern.
Freilich, dümmer geht immer. Die taz titelte: „Vorfall mit Fahrzeug in New York: Pick-up Truck fährt Menschen um.“ So schreibt man über eine missglückte Probefahrt mit einem selbstfahrenden Google-Auto, nicht über einen Terroranschlag, der acht Menschen aus dem Leben gerissen hat. Auch der ORF läuft im krampfhaften Bemühen, nur ja nie „Islam“ und „Terror“ im selben Satz zu schreiben, zu hoher Form auf: „In den USA ist es – wie in Europa auch – in den vergangenen Jahren mehrfach zu Anschlägen gekommen. In einigen Fällen konnten Attentate gerade noch verhindert werden, in anderen kamen die Sicherheitskräfte zu spät, es gab Dutzende Tote und Verletzte. Der Anschlag vom Dienstag war nicht der erste, der mit einem Fahrzeug verübt wurde.“
In sechs von sieben Anschlägen, die in der Folge aufgelistet werden, lag das Gemeinsame zweifelsfrei im Motiv der Täter, beim letzten in Nevada ist es noch unklar. Die Attentate hatten nicht gemeinsam, dass sie mit einem Fahrzeug ausgeführt wurden, wie die Einleitung vermuten lässt, sondern dass sie im Namen des Islam verübt wurden. „Wenn innerhalb eines Jahres hunderte christliche Terroristen in über 50 Staaten Terroranschläge verübt und sich dabei auf die Bibel berufen hätten, würden die meisten Medien ohne mit dem Wimper zu zucken vom christlichen Terrorismus sprechen, und das zu Recht. [Das] Times Magazine sprach bereits vom buddhistischen Terror in Bezug auf die Gewalt gegen Muslime in Burma.“, schreibt Hamed Abdel-Samad, und hat damit völlig Recht.
Bis 1. November wurden 2017 im Namen des Islam 1.760 Anschläge in 57 Ländern verübt. Dabei wurden mindestens 12.484 Menschen getötet und fast genauso viele verletzt. Der Opferzahl nach war heuer schon viermal 9/11, und niemand von uns erinnert sich daran, wo er gewesen ist.
Zuerst erschienen auf mena-watch
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