Presse(un-)freiheit
Vor ein paar Tagen wurden wir Leser von der Ungeheuerlichkeit informiert, dass eine Mitarbeiterin der Wochenzeitung Falter bei einer ÖVP Veranstaltung nicht zugelassen wurde. Auf Twitter, Facebook, bei TV-Diskussionen kam immer wieder der Begriff der »Pressefreiheit« zur Sprache, und im Zusammenhang mit dem Ereignis natürlich die Einschränkung dieses Rechts durch »manche« politische Parteien.
Parteichef Kurz versuchte, die Situation in einer TV-Runde zu erklären, doch es nützte nichts, der Geruch der Einschränkung der Pressefreiheit durch diese Partei und auch die ehemalige FPÖ/ÖVP-Regierung blieb im Raum und konnte durch keinerlei Lüftungsversuche neutralisiert werden.
Etwa zur gleichen Zeit wurde eine Liste veröffentlicht, die die größten Inserenten des Falters zeigte. In den sogenannten Top-20, den zwanzig Institutionen und Organisationen, die am meisten im Falter inserieren, konnte man kein einziges Privat-Unternehmen finden. Der größte Geldgeber ist die Stadt Wien, gefolgt von der Arbeiterkammer, den Wiener Stadtwerken, dem ORF, verschiedenen Ministerien, Kulturinstitutionen und den ÖBB, dann wieder die Wirtschaftsagentur Wien, ebenfalls eine Einrichtung der Stadt Wien.
Vertreter der Medien definieren die Pressefreiheit als wichtiges Gut der Demokratie, zu Recht übrigens, denn ein typisches Kennzeichen einer Diktatur ist das Ende der Pressefreiheit, die Kontrolle der Information und die Manipulation der Berichte über die politische und wirtschaftliche Macht.
Doch Journalisten und verantwortliche Herausgeber vertreten eine sehr einseitige Position in Bezug auf Pressefreiheit – sie definieren sie als ihre Freiheit, uneingeschränkt zu arbeiten, zu recherchieren, Interviews zu machen, zu schreiben und zu publizieren. Doch Pressefreiheit hat auch eine andere Dimension – das Recht auf Information der Leser, der Konsumenten. Und in diesem Zusammenhang ergibt sich in den letzten Jahren eine weitaus größere Gefahr für die Einschränkung dieses Rechts als für die Freiheiten der Verantwortlichen in den Medien.
Die Problematik der ökonomischen Sicherheit vor allem der Printmedien hat sie in eine Abhängigkeit von Geldgebern getrieben, die eine unabhängige Information nicht mehr garantieren kann. Wenn Zeitschriften wird der Falter zu fast 50 Prozent von den verschiedenen Institutionen der Stadt Wien finanziert werden, muss das einen Einfluss auf die politische Position der Berichterstattung haben. Wie unabhängig kann eine Zeitschrift noch informieren, wenn sie existentiell von einem einzigen Geldgeber abhängig ist?
Big Spender
Bei politischen Parteien nimmt die Gesellschaft die Spender sehr wichtig und schränkt mit Gesetzen den Einfluss von Geldgebern ein. Dort, wo der Verdacht auftritt, dass große Spenden eine Partei erreichen, wird der mögliche Einfluss kritisiert, den diese Gönner auf Politiker haben könnten. Bei Print-Medien reagiert die kontrollierende Öffentlichkeit gegenüber »Groß-Spendern« ziemlich gleichgültig, obwohl der Einfluss auf die Demokratie durch die Einschränkung der Informationsfreiheit mindestens so problematisch ist wie in der Politik. Das ist auch nachvollziehbar, da die kontrollierende Öffentlichkeit aus eben jenen Medien besteht, die sich selbst trotz »Groß-Spendern« in keiner Abhängigkeit sehen.
Doch die Pressefreiheit, definiert als Freiheit der Informierenden, ist eben nur die halbe Wahrheit. Leser als Konsumenten sind in dieser Auseinandersetzung um Freiheiten nicht vertreten, können zwar eine andere Zeitung lesen oder sich anders informieren, doch es bleibt eine unglaubliche Ignoranz der Anbieter von Informationen gegenüber Konsumenten, wenn sie sich trotz ihrer ökonomischen Abhängigkeit gleichzeitig als unabhängig präsentieren und als Garant einer demokratischen Gesellschaft.
Bei Zeitschriften wie dem Falter ergibt sich weiters die Problematik, dass die angebliche Informations-Unabhängigkeit durch Steuergelder finanziert wird. Unter den wichtigsten Inserenten ist kein einziges Privatunternehmen zu finden, das hofft mit seinen Anzeigen, Konsumenten zu erreichen. Steuergelder werden jedoch durch die politische Macht verteilt und nicht durch gewinnbringende Unternehmen, die ein Produkt bewerben. Wenn jedoch ein Print-Medium sich als Kontrollinstanz der Demokratie verteidigt, damit seine Aktivitäten rechtfertigt und gleichzeitig von Politikern finanziert wird, die mit Inseraten ihre Macht absichern, so ist das ein Widerspruch, der nur einer Gruppe in diesem System schadet – den Konsumenten. Wobei im konkreten Fall der Sinn und Zweck von Anzeigen – außer der finanziellen Unterstützung von »Gleichgesinnten« – wie zum Beispiel der Arbeiterkammer überhaupt nicht nachvollziehbar ist.
Ähnlich wie bei politischen Parteien könnte hier mehr Transparenz eingefordert werden, und das betrifft nicht nur den Falter. Es wäre interessant zu wissen, wer die Presse, den Standard, profil und andere Medien finanziert. Die politische Einseitigkeit der Berichterstattung ist bei den meisten Medien bekannt, eine Unabhängigkeit gibt es meist nicht. Je nach persönlicher politischer Positionierung greift man zu der einen oder zu der anderen Zeitung, das ist die Normalität einer demokratischen Vielfalt auf dem Medienmarkt.
Doch die Freiheit des Konsumenten kann nicht nur darin bestehen, eine linke oder rechte Zeitung zu kaufen, sozusagen das Produkt zu wechseln, bis es einem passt. Dann wären Zeitungen eben auch nur Konsumartikel, die je nach Geschmack und Sympathie konsumiert werden. Entsprechend dem Anspruch der Medien‚ »Kontrollorgane« der Demokratie zu sein und diese Funktion gegenüber den Konsumenten zu verantworten, muss auch ihre Abhängigkeit gegenüber den Geldgebern erkennbar sein.
Pressefreiheit ist eine wertvolle Errungenschaft in einer demokratischen Gesellschaft und betrifft die Freiheit der Informanten und der Informierten. Sie kann nicht als das Recht des einen eingefordert und gleichzeitig dem anderen verweigert werden.
Es gibt das Recht der Leser/Innen zu wissen, unter welchem Einfluss eine Nachricht zustande kommt, formuliert und aus der Masse der Informationen ausgewählt wird. Hier fehlt der Eingriff des Gesetzgebers, das Informationsrecht der Konsumenten zu schützen. Wenn Medien zu einem dominanten Prozentsatz von Interessengruppen finanziert werden, sollte das bekannt und deutlich erkennbar in der Selbstdarstellung einer Zeitung, Zeitschrift oder anderer Medien sein.
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