Helle Aufregung
Im Augenblick herrscht kein Mangel an politischen Sottisen. Ein halbgares Statement folgt dem nächsten, fast im Stundentakt gehen Merkwürdigkeiten über die Nachrichtenticker. Und es sind meist dieselben politischen Darsteller, die sich im Wettrennen um den größten Stuss aufgeregt äußern. Die Politik ist merkbar nervös geworden, in ihren hastigen Statements spiegeln sich die feinen Beben wider, die das Land unterminieren. Nur eine schweigt – die Kanzlerin. Sie quittiert die Aufregung, in der sich die Welt befindet, mit Schweigen. Doch handelt es sich um kein beredtes Schweigen mehr.
Sigmars Sorgen
Sigmar Gabriel hat gefordert, Deutschland solle in Sachen auswärtiger Politik „rote Linien“ ausziehen, und zwar gegenüber den USA, auf die kein Verlass mehr sei. Besonders in Bezug auf Iran und Russland habe man „eigenen Interessen“ zu folgen. Ist das so eine Art Pfeifen im Walde? Weil Gabriel das Tempo nicht mehr mitgehen kann, das die Geschichte inzwischen anschlägt? Gerät ihm in der Sorge, alles richtig machen zu wollen, zu vieles durcheinander? Manchmal hat man den Eindruck, Gabriel hört sich einfach nur gern reden.
Martinstag
Schulz wiederum fordert die Vereinigten Staaten von Europa. Aber Tempo-Tempo, bis 2025 bittschön! Dann wird, wenn es nach ihm geht, in jedem Land rasch noch darüber abgestimmt, und wer‘s ablehnt, fliegt halt aus Europa raus. Dahinter steckt der fadenscheinige Versuch, den schillernden französischen Präsidenten Macron zackig-deutsch zu übertrumpfen. Dessen Klasse hat Schulz allerdings schon bei der exquisiten Partnerwahl für immer unterlaufen. Und es unterläuft ihm ein weiterer fataler Irrtum, seinen Namen betreffend: Den Mantel soll der Martin teilen, nicht Europa!
Der Franzl
Auch der kreuzfidele Ersatzpapst hat sich zuverlässig wieder zu Wort gemeldet. Wie so viele andere kritisiert er Trumps Plan, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, weil nämlich Jerusalem „laut Völkerrecht“ eine geteilte Stadt sei. Mit dieser Ansicht, durch keine UN-Resolution oder ähnliches begründet, weil es nichts derartiges gibt, ist er aber nicht allein, sondern wie in Sachen Unfehlbarkeit einer Meinung mit Angela Merkel. Mal schauen, wann er darauf verfällt, dass Istanbul dann ebenfalls völkerrechtlich zweigeteilt werden müsste. Das orthodoxe Christentum hat seinen Mittelpunkt dort ja nicht aus freien Stücken aufgegeben. Dem Franzl wär’s zuzutrauen, dass er, so Gott will, irgendwann auch da einen raushaut.
Kinderkram
„Bätschi, sag ich dazu nur!“ röhrte Andrea Nahles dieser Tage ein ums andere peinsame Mal in die Mikrophone des SPD-Parteitags. Es sollte kämpferisch wirken, es sollte Ausgelassenheit demonstrieren und jede Menge jener Schadenfreude ausdrücken, die Frau Nahles empfindet, weil die Kanzlerin jetzt zur Regierungsbildung auf die Hilfe ihrer Partei angewiesen zu sein scheint. Die Infantilisierung der deutschen Politik hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Historischer Wellenschlag
Zurück zur Nervosität der Politik: Sie erinnert frappant an die ignorante Unruhe, die im Jahr 1988 die Staatsführungen in Polen, Rumänien, der DDR und anderswo ergriffen hatte. Etwas zog herauf, etwas geschah untergründig – aber man bekam es nicht zu fassen. Was immer sich da tat, es war zu weit weg von allem, was sich die knöchernen Führungseliten vorstellen konnten: umso weniger, je schneller ihre Zeit ablief. Sie konzedierten hier ein wenig, dort ein wenig, und klammerten sich an die betonierten Verhältnisse. Kurz darauf wurden sie unter einer Geröll-Lawine historischer Neujustierungen begraben. Mit dem Unterschied zu heute, dass damals die Freiheit siegte…
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Mir scheint, dass die angekündigte Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem zukünftigen Vermittlungsbemühungen der USA nicht eben förderlich sein wird, aber da mag ich mich natürlich irren.
Bezüglich der personellen Qualität der politischen Klasse in Deutschland dürfte es hingegen keine zwei Meinungen geben, wenn man sich vor Augen führt, dass Politikerinnen aufgesetzt fröhlich im Bundestag das Pippi-Langstrumpf-Lied krähen, „Bätschi!“ sagen oder sich um die Meinung der kleinen Bienchen sorgen. In diesem Gemeinwesen kann es halt anscheinend jede und jeder nach ganz oben schaffen.
Aber buchstäblich jede und jeder.
Sei’s drum.
Was die Idee angeht, die Herrn Schulz paßgenau souffliert wurde, wird man zugeben müssen, dass der Europa-Zug nach den Zwischenhalten „EGKS“, „EG“ und „EU“ – wie von Anfang an geplant – nun den Endbahnhof „Vereinigte Staaten von Europa“ ansteuert. Von wem dabei die Zugdurchsage kommt, scheint mir belanglos. Wenn im „europäischen Einigungsprozeß“ Schlagworte wie „EVG“, „Währungsunion“ (man denke an den „Ecu“) oder „gemeinsamer Wirtschaftsraum“ fielen, schimmerte das Endziel „europäische USA“ doch deutlich genug durch, oder? Nicht umsonst wurde Englisch die (noch) informelle Sprache Nr. 1 in Europa, nicht umsonst werden die gewachsenen Völker gezielt durchmischt, um per (real allerdings nicht existierenden) „melting pot“ das passende Staatsvolk der Zukunft zu schaffen. Amerika läßt grüßen.