Photo: US Department of State, Public Domain
Europa mit Iran, Russland und China gegen die USA
Europa verbündet sich mit den beiden mächtigsten autoritären Regimen der Welt gegen die USA, um weiter Geschäfte mit einer Diktatur machen zu können. Wie passt das zu den vielbeschworenen »Europäischen Werten«?
»Mit welchem Recht will Trump europäischen Firmen verbieten, Geschäfte mit dem Iran zu machen? Nur weil ihm ein Vertrag nicht passt, den Amerika selbst unterzeichnet hat? Sanktionen gegen Verbündete zu verhängen, wo kommen wir da hin?«
Mein Sitznachbar war sichtlich entrüstet, als er nach einem Vortrag von Prof. Hal Brands über die »Grand Strategy« Amerikas in der Ära Trump an der Wiener Landesverteidigungsakademie mit mir über das Verhältnis der USA zu Europa sprach. Er war nicht der einzige Teilnehmer, den die Aufkündigung des »Iran-Deals« – der übrigens von niemanden unterzeichnet wurde, sondern einen bloße Willensbekundung darstellt – durch die USA bewegte. »Pacta sunt servanda« lautete der einhellige Tenor im Auditorium.
Wettstreit der Systeme
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Wiedervereinigung Deutschlands schien für einen kurzen historischen Moment der Weg in ein goldenes Zeitalter vorgezeichnet. Francis Fukujama rief das »Ende der Geschichte« aus und war überzeugt, dass sich die Prinzipien von Demokratie und Marktwirtschaft bald überall endgültig durchsetzen würden. Auch wenn Samuel Huntingtons These vom »Clash of Civilisations« näher an der Realität war: die Vereinigten Staaten sind noch immer die militärische und wirtschaftliche Führungsmacht der Welt und globaler Schirmherr des Konzepts der liberalen Demokratie. Doch die Herausforderung durch autoritäre Regime wächst. Unter Putin erhebt Russland wieder Anspruch auf seine Rolle als Weltmacht. China steigt von der wirtschaftlichen Supermacht zur politischen und militärischen auf. Und am Rande dieser Entwicklung etablieren autoritäre Führer wie Erdogan ihre Länder als dominante Regionalmächte.
Wenn man, stark vereinfacht, die Welt als Schauplatz eines Wettstreits zwischen liberalen Demokratien und autoritären Regimen betrachtet, der von den USA auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite angeführt wird, stellt sich die Frage: auf welcher Seite steht Europa? Am Beispiel Iran und Israel zeigt sich: zu oft auf der falschen.
Ein selbstmörderischer Deal
Das Abkommen von Wien hat den Nahen Osten zusätzlich destabilisiert und wird von fast allen wesentlichen Akteuren der Region vehement abgelehnt. Denn es ebnet Iran den Weg, ab 2025 zur Atommacht aufzusteigen, fördert dessen militärische Expansion und finanziert indirekt Terroranschläge in Israel und Europa. »Bad deal«, wie Trump den »Iran-Deal« nennt, ist eine maßlose Untertreibung. Dieser Deal ist nicht einfach nur schlecht, er ist selbstmörderisch.
80.000 iranische Milizionäre sind in Syrien stationiert, im Libanon strotzt die Hisbollah vor Waffen. Militärisch steht zwischen dem religionsfaschistischen Regime in Teheran und seinem Aufstieg zum Hegemon des Nahen Ostens nur mehr Israel. Inzwischen verhärtet sich auch der Verdacht, Iran würde im Geheimen weiter an seinem Atomprogramm arbeiten. Doch die Warnungen des israelischen Ministerpräsidenten werden von den Europäern und der Internationalen Atomenergiebehörde geflissentlich ignoriert.
Iran strebt nicht nur die Vorherrschaft über den Nahen Osten an. Der Export der Islamischen Revolution in andere Länder mit terroristischen oder politischen Mitteln ist eine der ideologischen Säulen des Regimes. Dieser Vision ordnet Iran alle religiösen Differenzen unter und unterstützt auch sunnitische Terrorgruppen wie Hamas oder IS. Der größte Terrorfinancier der Welt fördert so gut wie alle islamistischen Terrorbanden, die sich den Kampf gegen den Westen und die Vernichtung Israels auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Bis zu sechzig Milliarden Dollar sind seit der schrittweisen Aufhebung der Sanktionen allein von eingefrorenen Konten aus den USA in den Iran zurückgeflossen, dazu kommen Milliardenerlöse aus Erdölverkäufen. Ohne diese Summen hätte Iran die Ausweitung seines unmittelbaren Einflussbereichs nicht finanzieren können. Dessen ungeachtet hält Europa verzweifelt am Atomabkommen fest.
Die Heuchelei Europas
Zusammen mit Russland und China arbeitet Europa an einer Zweckgesellschaft (»Special Purpose Vehicle«), um Geschäfte mit dem Iran in einer Art Tauschbörse außerhalb des internationalen Zahlungsverkehrs abwickeln zu können. Damit sollen nach Aussage der EU-Außenkommissarin Federica Mogherini »legitime finanzielle Transaktionen“ mit dem Iran weiter möglich bleiben.
Doch nichts daran ist legitim, den »führenden staatlichen Sponsor sowohl des weltweiten Terrorismus als auch des tödlichen Antisemitismus und der Holocaustleugnung«, so der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster, durch rege Handelsbeziehungen zu stärken. Nichts daran ist legitim, sich mit den beiden mächtigsten autoritär regierten Ländern der Welt gegen die Jahrzehnte lange Schutzmacht der europäischen Demokratien zu verbünden, um ungestört mit Diktaturen Geschäfte machen zu können. Nichts daran ist legitim, die bei jeder Gelegenheit beschworenen »Europäischen Werte« für kurzfristige Industrie-Interessen zu verraten. Und all jene, die sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit »No blood for oil« skandieren, sind bemerkenswert still.
Das verzweifelte Festhalten am Iran Deal ist überdies vergeblich. Denn freilich irrte mein Fragesteller: die USA verbieten den europäischen Firmen nicht, Geschäfte mit Iran zu machen, das könnten sie gar nicht, sie stellen sie vielmehr vor die Wahl, Geschäfte mit dem Iran oder den USA zu machen. Eine Wahl, die den Wenigsten schwerfallen dürfte, zumal sich der Traum von großen Iran-Geschäft ohnehin nicht erfüllt hat, und das Handelsvolumen weit unter den Erwartungen geblieben ist. Von den Sanktionen betroffen sind vor allem Europas Autobauer, Luftfahrtunternehmen, Öl- und Technologiekonzerne und Banken. Konzerne wie PSA (Peugeot, Citroën) und TOTAL haben bereits die Konsequenzen gezogen und ihre Aktivitäten in Irwan beendet.
Die Europäische Union ist bislang nicht gerade durch Vertragstreue aufgefallen. Innerhalb der EU gilt das Recht des Stärkeren. Als der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Staatspräsident Jacques Chirac 2003 den Stabilitätspakt von Maastricht außer Kraft gesetzt haben, blieben die vertraglich vereinbarten Sanktionen aus. Mit einem schlichten »Maastricht interessiert mich nicht« setzte sich der deutsche Kanzler damals ungestraft über genau jene Bestimmungen des Stabilitätsvertrags hinweg, auf die Deutschland bei der Einführung des Euro bestanden hatte.
Bis heute gelten Abkommen in der EU genau so lange, wie sie vitalen Interessen ihrer größten Mitglieder nicht entgegenstehen, von der No-Bailout-Klausel bis Schengen. Und ausgerechnet die Diktatur der Mullahs erweckt plötzlich Europas Liebe zur bedingungslosen Vertragstreue? Was für eine obszöne Heuchelei.
Zuerst erschienen auf mena-watch
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