Klimaschutz, aber richtig!

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Klimaschutz-Politik muss von einer Mehrheit getragen werden, sozial verträglich, wirtschaftlich vernünftig, wirksam und effizient sein. Die »Letzte Generation« schadet der Sache.  

»System Change, not Climate Change!« Der programmatische Slogan einer selbsternannten »globalen Klimagerechtigkeits-Bewegung« mit dem Namen »System Change not Climate Change«, bringt es auf den Punkt: Für Gruppen wie »Extinction Rebellion» oder die »Letzte Generation« ist der Kampf gegen den Klimawandel nur eine Folie für den Kampf gegen den Kapitalismus.

Auf Worte folgen Taten. Zuletzt die Attacke auf ein Sylter Hotel der gehobenen Kategorie, dessen Jugendstil-Bar zwei Aktivisten mit oranger Farbe verwüsteten. Wenige Tage vorher hatten sie sich Zutritt zu einem Sylter Flughafen verschafft, besprühten einen Jet und ruinierten damit dessen Triebwerke. Mit demselben Flugzeug wurden in der Woche davor noch unentgeltlich Ambulanzflüge durchgeführt. 

In einem Video der »Letzten Generation« begründet eine Sprecherin die Anschläge: »Während draußen unsere Welt in Flammen aufgeht, wird den maßgeblich Verantwortlichen hier drinnen Champagner und Kaviar serviert. Wir müssen als Gesellschaft dem zerstörerischen Luxus der Superreichen endlich eine Grenze setzen.« 

System Change zur Diktatur

Wer sich selbst und ein paar Dutzend Verbündete zur „Gesellschaft“ erhebt und damit Gewalt gegen die reale Gesellschaft legitimiert – seien es Straßenblockaden oder Anschläge gegen fremdes Eigentum – beweist ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie und ihren Spielregeln. 

Es ist dieser Ungeist, dem die Phantasien einer Diktatur zum Schutz des Klimas entspringen. Die Letzte Generation mag ein paar Leute zum Kampf gegen das »Schweinesystem« motivieren, wie die 68er-Studentenbewegung den Kapitalismus gern bezeichnete. Zur Akzeptanz von Maßnahmen zur CO2-Senkung trägt sie nicht das Geringste bei. Im Gegenteil: Sie treibt den Rechtsaußen-Parteien Wähler zu. 

Dabei wäre eine wirksame Klimaschutz-Politik höchst notwendig. Doch sie muss fünf Kriterien erfüllen: demokratische Legitimation, soziale Verträglichkeit, wirtschaftliche Vernunft, Effektivität und Effizienz.

Demokratische Legitimation

Klimapolitische Maßnahmen müssen von der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden. Sie dürfen kein Werkzeug sein, um die Demokratie auszuhebeln. Leichtfertig hingeworfene Worte wie »Klimanotstand« sind dazu angetan, nicht nur gesetzwidrige Aktionen, sondern auch eine permanente Notstandsgesetzgebung zu legitimieren.

Soziale Verträglichkeit

Niemand verarmt freiwillig, daher ist dieser Punkt eng mit der Demokratiekompatibilität aller Maßnahmen verbunden. Fliegen wird teurer? Während die einen auf ihren Sommerurlaub auf Mallorca verzichten müssen, erfreuen sich die anderen an kürzeren Wartezeiten beim Check-in. 

Autofahren wird teurer? Freie Fahrt für reiche Bürger. Sicher ist: Den Klimawandel mit Steuern oder anderen politisch indizierten Energiepreiserhöhungen zu bekämpfen, bringt die soziale Frage aufs Tapet. Demgegenüber bleibt abzuwarten, wie wirksam beispielsweise der Lenkungseffekt einer CO2-Bepreisung ist. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass die bekanntesten Proponentinnen von »Fridays For Future« aus vermögenden Verhältnissen stammen. 

Wirtschaftliche Vernunft

Gewerbe und Industrie sind für den Wohlstand unserer Gesellschaft unverzichtbar. Wobei »Wohlstand« nur ein anderes Wort für »Sozialstaat« ist. Wenn die europäische Wirtschaft ihre globale Wettbewerbsfähigkeit verliert, trifft das zuerst die einkommensschwächsten Gruppen, bevor in der Folge die Mittelschicht ins Prekäre abgleitet. Spätestens dann kann der Staat seine Bürger nicht mehr gegen soziale Risiken absichern. Wie alle anderen sozialistischen Konzepte mündet »Degrowth« in der Verarmung aller.

Effektivität

Sinnvoll ist, was wirkt. Der CO2-Ausstoß muss weltweit in einem klimarelevanten Ausmaß gesenkt werden. Die EU-27 tragen etwas über acht Prozent zum globalen CO2-Ausstoß bei, der Anteil Österreichs liegt bei rund. 0,2 Prozent. Nur um die Größenordnung zu veranschaulichen: Den CO2-Ausstoß Chinas (11.472 Mio. Tonnen im Jahr 2021) um sechs Prozent zu verringern, hat mehr Effekt, als jenen von Deutschland (674 Mio. Tonnen) auf null zu bringen. Und wenn Deutschland beispielsweise Ammoniak aufgrund der hohen Energiepreise nicht mehr herstellt, sondern importiert, wird das die globale CO2-Bilanz nicht verbessern. 

Auf das Klima dürften Aufrufe zum privaten Verzicht daher ebenso wenig Einfluss haben wie planwirtschaftliche und kleinzellige Lenkungsmaßnahmen, vom Verbot des Verbrennungsmotors bis zum Aus für längst genehmigte Straßenbauprojekte. Mit der Elektrifizierung unserer Abläufe, von der Mobilität bis zur Produktion, wird sich der Strombedarf eines entwickelten Industrielandes wie Österreich vervierfachen. Die entscheidende Frage dieses Jahrhunderts lautet also: Woher kommt der Strom?

Die Kernenergie wird bei der Antwort eine wesentliche Rolle spielen. Von Hitachi und Westinghouse werden in wenigen Jahren Mini-AKW auf den Markt kommen, deren Reaktorgebäude eine halbe Million Haushalte mit Strom versorgen können und dabei nicht einmal ein Viertel der Fläche eines Fußballfeldes beanspruchen. 

Die Firma Terrapower entwickelt mit finanzieller Unterstützung von Bill Gates gerade ein Mini-AKW, das mit flüssigem Natrium anstelle von Wasser gekühlt wird. Die Vorteile: Höhere Sicherheit und weniger Atommüll, und das zu einem Preis von rund einer Milliarde Dollar.

In der Solarenergie hat China die größten Fortschritte gemacht. Lag der Herstellungspreis für Solarmodule vor zehn Jahren noch bei rund zwei Dollar pro Watt, liegt er heute bei 16 Cent. Eine Reduktion von mehr als 90 Prozent. 

Während Südkorea und die USA neue Technologien entwickeln und China seine Vorteile in der Skalierung nutzt, diskutiert man in Europa darüber, Windräder auf Almen und Alpengipfeln zu errichten. Wer auf Vorbildwirkung setzt, muss sich über einen Punkt im Klaren sein: Außerhalb Europas wird keine Regierung auf diesem Planeten Maßnahmen setzen, die ihre Bevölkerung ärmer macht.

Effizienz

Einen Hebel setzt man dort an, wo er die größte Wirkung erzielt. Methan ist als Treibhausgas 80-mal klimawirksamer als CO2 und für mindestens ein Viertel der globalen Erwärmung verantwortlich. Der Ausstoß steigt beängstigend, wie der britische Guardian berichtet

Der Großteil der Methanemissionen geht auf circa 1.000 Gaslecks zurück, die man relativ einfach stopfen könnte. Allein die beiden Lecks aus den zwei wichtigsten fossilen Brennstofffeldern Turkmenistans trugen 2022 mehr zur globalen Erwärmung bei als die gesamten Kohlendioxid-Emissionen des Vereinigten Königreichs. Der Ausstoß des größten einzelnen Lecks entspricht 67 Millionen fahrenden Autos.

Das ist keine Aufforderung zum »weiter so wie bisher«. Aber wenn es wirklich um die Reduzierung der Erderwärmung geht, um Climate Change statt um System Change, dann ist es höchste Zeit, die nationale Brille abzulegen und sämtliche vorhandenen Mittel und Technologien dort einzusetzen, wo sie die jeweils größte Wirkung erzielen. 

 Zuerst erschienen im Pragmaticus.


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Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.