IRANER GEGEN DIE DIKTATUR

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Photo: Hamed Saber, CC BY 2.0

Die Protestbewegung weitet sich aus

Den heimischen Apologeten der iranischen Diktatur kann es niemand recht machen. Als vor fast einem Jahrzehnt die grüne Revolution in Teheran ihren Anfang nahm und sich kontinuierlich in weitere Städte ausbreitete, meinten die Relativierer, dass es ja »nur« eine urbane Bewegung sei und lediglich iranische Akademiker demonstrieren würden. Als dann Ende des vergangenen Jahres die ersten Proteste in anderen Landesteilen begannen und sich die Proteste langsam aber stetig ihren Weg in die Hauptstadt bahnten, hieß es, dies sei ja »nur« die Landbevölkerung.

Teil der Beschwichtigungsstrategie ist es auch, damals nur den Wahlbetrug und heute nur die wirtschaftliche Unzufriedenheit als Gründe für den Unmut zu nennen. Diese oberflächliche Erklärung verkennt jedoch, dass in einer unterdrückten Ökonomie jede Form von Protest einen politischen Charakter hat – Friedrich August von Hayek lässt grüßen.  Die massive Wahlmanipulation war 2009 nur einer der Auslöser dafür, dass sich die lange aufgestaute Frustration über die diktatorischen Verhältnisse entfesselte.

Die Oberflächlichkeit ignoriert mindestens zwei weitere entscheidende Aspekte: die Geschichte des Iran in den letzten 100 Jahren ist eine der Urbanisierung, und wegen der modernen Kommunikationsmöglichkeiten lässt sich das Land nicht mehr abschotten.

In diesem riesigen Land hat sich Teheran zu einer Mega–City von etwa 14 Millionen Einwohnern entwickelt, aber dabei blieb es nicht. Weitere Millionenstädte wie Isfahan, Mashad, Tabriz und andere Orte sind entstanden.

Parallel dazu begann die Vernetzung mit moderner Kommunikation. Ob soziale Netzwerke oder Satelliten-Fernsehen, die Iraner bekommen exakt mit, was um sie herum und in der restlichen Welt passiert. Nichts davon fließt in die heutige Iran–Analyse ein. Im Gegenteil: immer noch gibt es Stimmen, die den bösartigen Charakter des iranischen Regimes, seinen islamischen Fundamentalismus und die antisemitische Staatsdoktrin schönreden.

Die Iraner sind fertig mit der Diktatur

Ganz so, als wäre die Islamische Republik zu diesen Verbrechen gezwungen worden, weil man mit dem Kind aus der Gosse nicht spielen wollte. Auch hier erkennt man wieder die intellektuelle Dürftigkeit und Realitätsferne. Die Realität ist nämlich, was sich in den Protestbewegungen innerhalb des Iran manifestiert: die Iranerinnen und Iraner selbst sind fertig mit dieser Diktatur. Und zwar Arbeiter wie Akademiker gleichermaßen.

Die Protestbewegung hat ein vorrevolutionäres Stadium erreicht – die Demonstrationen ebben nicht mehr ab, und sie umfassen alle Landesteile. Die Slogans zielen auf die Gesamtheit der Diktatur und deren Abschaffung, die Menschen rechnen mit den außenpolitischen Abenteuern der Revolutionsgarden in der Region ab, sie lassen sich auch durch die Repression des Regimes nicht mehr abschrecken. Hinzu kommt, dass sich die iranische Währung im freien Fall befindet.

In diesem Zusammenhang muss man sich die Aussage der nützlichen Marionette Rouhani auf der Zunge zergehen lassen: das Regime komme mit Druck von innen klar, es komme auch mit Druck von außen klar, aber nicht mit Druck von beiden Seiten. Was es jetzt für einen Regimewechsel braucht sind nicht Dialoge, sondern die Verstärkung des wirtschaftlichen und politischen Drucks auf das Regime. Nicht mehr und nicht weniger.

Wenn diese Diktatur dann endlich Geschichte geworden ist, kann man sich in einem ruhigen Moment einmal Gedanken darüber machen, warum in dieser historischen Phase unsere Medien überwiegend nur mit dröhnendem Schweigen auf die erstarkende Revolutionsbewegung reagieren.

Dabei wäre es in der medialen Berichterstattung über Diktaturen dringend erforderlich, die Barbarei beim Namen zu nennen. Schon allein aus Anstand und Solidarität mit jenen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um die Barbarei zu überwinden.

Die Apologeten des Regimes werden auch damit nicht glücklich sein. Aber wenn in Teheran einmal eine säkular–demokratische Regierung herrscht – wen interessiert das dann noch?

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Über den Autor / die Autorin

Saba Farzan

Saba Farzan schreibt für zahlreiche europäische und internationale Publikationen über den Nahen Osten und transatlantische Nahostpolitik. Sie hat Theaterwissenschaften, Amerikanische Literaturwissenschaft und Soziologie an der Universität Bayreuth studiert mit Forschungsaufenthalten an der Kurt Weil Foundation for Music in New York und der Yale Music Library. Sie hat die Strategie - Denkfabrik Foreign Policy Circle gegründet, die sich der transatlantischen Partnerschaft, der Wahrung der Menschenrechte und der Bekämpfung des Antisemitismus verschrieben hat. Saba Farzan lebt in Berlin, weil sie nicht auf drei Opernhäuser vor der Haustür verzichten möchte - sie liebt generell Kultur und kritisiert jeglichen Kulturaustausch mit den Diktaturen dieser Welt.

Von Saba Farzan