HARAMSTUFE ROT

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Überdosis Religion, kein Bock auf Schule

„Warum stirbt so a Spanferkel eigentlich immer genau dann, wenns grad an Apfel im Mund hat?“ lallt der Kerl am Kebab-Stand neben mir, um gleich darauf geräuschvoll in seinen Döner zu beißen. Es ist 03:00, die Stunde der verbal Inkontinenten: „Überhaupt, i würd eh vü mehr Äpfel essen, aber mei Lieblingssorte gibt’s ned so oft.“

„Und, was ist das für eine Sorte?“ frage ich die Saufnase aus reiner Langeweile. „Na, eben die mit dem Schweinderl drumherum. Ohne des Schweinderl rundherum hod so a Apfel jo gor ka richtiges Aroma …. Owa imma no mehr ois so a türkischer Döner.“ Ich wechsle einen Blick mit meinem Freund Ali, dem der Kebab-Stand gehört.

Der Herr der Zwiebelringe, wie ich ihn nenne, verdreht genervt die Augen. Von Hunger geplagt bin ich nach der letzten Schicht wiedermal hier aufgeschlagen. Auf ein Dürüm, ein Cola, und ein paar Worte von Mann zu Mann. „Kein Wunder, dass Du so a Wampen hast“, hat meine Ex immer gekeppelt, „nach Mitternacht zählen die Kalorien doppelt“. So ein Blödsinn, denen ist die Uhrzeit doch scheißegal.

Falsche Kreise und viel Wut

Ali gleitet mit dem Messer durchs Hammelfleisch am Spieß und schweigt. Er wirkt bedrückt, und ich ahne auch, warum. Seit längerem schon gibts mit seinem Sohn, dem Halil, ziemliche Wickel. Früher war er ein lustiger, aufgeweckter Kerl, der fast 16-jährige Junior, doch dann ist er verkehrt abgebogen. Falsche Kreise, eine Überdosis Religion, kein Bock auf Schule, viel Wut im Bauch.

Entwicklungen, die Vater Ali mit Sorge beobachtet. Der ist zwar, no na, selbst Moslem, schert sich aber wenig um aus dem Mittelalter stammende Regeln und Moral-Vorstellungen. Und jetzt soll er seine jüngere Tochter nicht mehr zum Schwimmunterricht schicken, weil das für den Herrn Sohn „haram“ ist?

Soll sich von Halil als Ungläubiger oder Schwuchtel schimpfen lassen, weil er im Gegensatz zu diesem nicht findet, dass im Namen der Religion notfalls auch getötet werden darf? Soll akzeptieren, dass der verblendete Pubertäter mit angehobenem Isis-Zeigefinger auf Facebook posiert, als Zeichen für den Hass gegen den Westen? Nein, für Ali herrscht momentan Haramstufe Rot.

„Du, Türke, gibts da eigentlich nur so an faden Döner, oder kann man bei Dir auch ein leiwandes Spanferkel bestellen?“ versucht nun die Saufnase zu provozieren. „Wenn Du Dich endlich schleichst, dann haben wir alle Schwein gehabt“, antworte ich rasch an Alis Stelle. Kurz darauf verdrückt sich der Kerl tatsächlich. Ali seufzt.

Und nix passiert 

„Weißt, Wukkerl“, sagt er, „wenn Deinem Buben von allen Seiten so viel Scheiße ins Hirn geblasen wird, dann geht’s Dir als Vater wie den Färöern bei der Fußball-WM.“ Ich nicke. „Religions-Unterricht in der Schule auf Arabisch, wo nix verstanden, und nur fleißig nachgebetet wird. Hilflose Lehrer, die bei Problemen lieber wegschauen, weil sie Angst vor den jungen, radikalen Deppen haben. Hetz-Botschaften in staatlich finanzierten Hinterhof-Moscheen. Ehrlich, Wukkerl, was habe ich da als alter Trottel für eine Chance?“

Jetzt bin ich dran mit dem Seufzen. „Und weißt, Wukkerl, was das Schlimmste ist?“ Ali regt sich nun richtig auf: „Es passiert nix dagegen, es ist scheinbar jedem wurscht. Den Österreichern – und den Muslimen.“ Ali wischt frustriert die letzten Brösel von der Theke.

Ich weiß, dass er recht hat. Kein Geld in den Schulen, z.B für Sozialarbeiter oder Pädagogen, um die pubertären Großmäuler wieder auf Kurs zu bringen. Aber auch kein Wort aus der muslimischen Community, dass man da auf einem Pulverfass balanciert.

Man wartet einfach ab. Und das ist, Schwein hin oder her, die allergrößte Sauerei.

Über den Autor / die Autorin

Walter Vukovic

Walter „Wukkerl“ Vuković, 44, ist Taxifahrer. Mitten in Wien und zwischen den Welten. Wukkerl hat Migrations-Hintergrund (Vater aus Serbien, in den 70ern als Gastarbeiter nach Wien gekommen, Mutter Österreicherin), ist geschieden und Vater einer Tochter (15).

Von Walter Vukovic