Elon Musk droht mit Meinungsfreiheit

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Die Aufregung um den Twitter-Kauf von Elon Musk ist einem Denkfehler geschuldet: Dass Unternehmertum und Meinungsfreiheit Widersprüche sind.

Elon Musk hat Twitter gekauft. Die Twitteria tobt. Hat der Tesla-Gründer etwa gedroht, die Accounts von Joe Biden, Sarah Wagenknecht oder gar von Armin Wolf zu sperren? Viel schlimmer. Er verlangt doch tatsächlich mehr Redefreiheit auf Twitter. Also weniger Sperren, weniger Zensur. Sein Programm beschreibt er in zwei Tweets:

  1. „Unter Redefreiheit verstehe ich einfach das, was dem Gesetz entspricht. Ich bin gegen eine Zensur, die weit über das Gesetz hinausgeht. Wenn die Menschen weniger Redefreiheit wollen, werden sie von der Regierung verlangen, entsprechende Gesetze zu erlassen. Wenn man also über das Gesetz hinausgeht, ist das gegen den Willen des Volkes.“
  2. „Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben, denn das ist, was Redefreiheit bedeutet.“

Die linksliberale Twitter-Community zeigt sich ob solcher Zumutungen empört. Manche kündigen ihren Abgang an, andere fordern, Musk zu enteignen und ein paar kluge Köpfe fordern eine öffentlich-rechtliche Alternative europäischer oder österreichischer Provenienz. 

Letzteres scheint mir eine besonders gute Idee zu sein, zeichnet sich doch gerade Österreich durch höchste staatliche Digitalkompetenz aus. Die User könnten sich dann vermutlich für TwÖtter bequem beim Gemeindeamt registrieren lassen, unter Mitnahme eines gültigen Reisepasses und eines aktuellen Passfotos versteht sich.

Kampf um Meinungshoheit

Im Ernst jetzt. So manche Wortspende rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft. „Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“ Der meistzitierte Satz zur Meinungsfreiheit ist zwar nicht von Voltaire (er stammt aus Evelyn Beatrice Halls Buch The Friends of Voltaire von 1906), dafür trifft er das Wesen der Meinungsfreiheit. Das Recht, die eigene Meinung zu äußern, wiegt sehr viel schwerer als der Wunsch, nicht von abweichenden Meinungen belästigt zu werden. Meinungen muss man auch dann ertragen, wenn man nicht gleich sein Leben für sie geben würde.

Das Recht, die eigene Meinung zu äußern, wiegt sehr viel schwerer als der Wunsch, nicht von abweichenden Meinungen belästigt zu werden.

Ja, es gibt in den Social Media ein Überangebot an Grässlichkeiten und Dummheiten jeder Art. Doch die Grenzen des Erlaubten setzt ausschließlich der Gesetzgeber, und Urteile fällen unabhängige Gerichte. Erst recht, wenn es um ein so elementares Grundrecht wie die Redefreiheit geht. Was im wirklichen Leben strafbar ist, soll es auch im Internet sein und nicht veröffentlicht werden dürfen.

Das Urteil über zulässige und unzulässige Meinungen an die Betreiber der Plattformen zu delegieren, ist jedoch nichts anderes als die Privatisierung einer der ureigensten Staatsaufgaben. Dass ausgerechnet Linke, für die Privatisierungen sonst pures Teufelswerk sind, genau darauf beharren, zeugt von einer gewissen kognitiven Dissonanz. Und von der Entschlossenheit, die Meinungsfreiheit für die Verteidigung der eigenen Meinungshoheit zu opfern. Vielleicht sollten wir an einem verregneten Wochenende einmal auf Twitter darüber diskutieren, ob „linksliberal“ nicht ein Widerspruch in sich ist.

 Zuerst erschienen im Pragmaticus.


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Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.