EU – RUSSLAND

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Photo: Kremlin, CC BY 3.0

Quo vadis?

Die Annexion der Krim sowie der Ausbruch des Donbasskonfliktes sind zwar die unmittelbaren Auslöser, aber nicht der eigentliche Grund für den Bruch in den Beziehungen zwischen der EU und Russland. Der Beziehungsbruch hat sich über die vergangenen zweieinhalb Dezennien schrittweise abgezeichnet und weist einen tiefen systemischen Charakter auf. Die strukturellen Probleme der EU sowie die paradigmatischen Veränderungen globaler Ordnungsstrukturen kommen erschwerend hinzu.

Unterschiedliche Erwartungshaltungen, fehlende Vision

Eines der zentralen Gründe für die Beziehungskrise bilden die vom Anbeginn an unterschiedlichen Erwartungshaltungen über die Zielsetzungen der gemeinsamen Beziehung. Die EU erwartete von Russland einen schrittweisen Annäherungsprozess nach dem Vorbild der mitteleuropäischen Staaten durch die Übernahme EU-europäischer Normen, Werte und Prinzipien. Im Zuge dieses Prozesses sollte Russland EU-kompatibler werden und sich bis hin zur Schwelle eines EU-Beitrittes bewegen. Letzterer war aufgrund der schieren Größe Russlands freilich undenkbar. Russland dagegen wollte möglichst rasch zu einem vollwertigen Mitglied der euroatlantischen Gemeinschaft werden und erwartete das Verständnis der EU für russische Positionen und Interessen. Am Ende sollten in Europa völlig neue kooperative Wirtschafts- und Sicherheitsstrukturen entstehen, unter gleichrangiger Beteiligung Russlands.

Diese unterschiedlichen Erwartungshaltungen und einander ausschließende Narrative führten dazu, dass eine gemeinsame Vision über die Zukunft der Beziehungen gar nicht erst entstehen konnte. Man verwendete gleiche Begriffe und verstand doch Unterschiedliches darunter. Obwohl im Rahmen unzähliger Dialogforen ständig miteinander gesprochen wurde, redeten beide Seiten 25 Jahre lang aneinander vorbei. Die massive gegenseitige Enttäuschung war solcherart vorprogrammiert.

Ein neuer Status-quo

Die gegenseitigen Sanktionen sind der sichtbare Ausdruck der Entfremdung und nunmehr als der neue Status-quo in den Beziehungen zu betrachten. Trotz der Schwächung transatlantischer Banden ist zwischen der EU und Russland selbst im Idealfall nur noch eine rein pragmatische Wirtschaftspartnerschaft vorstellbar. Eine strategische Partnerschaft im umfassenden Sinne, oder gar wie von manch einem erhofft eine Schicksalsgemeinschaft im Sinne Kardinal Königs, ist nicht mehr zu erwarten. Die EU und Russland werden nur noch nebeneinander aber nicht mehr miteinander leben. Die EU ist für Russland genauso wie auch Russland für die EU endgültig zum Anderen im Sinne des Freund-Feind-Schemas Carl Schmitts geworden: zu einer Projektionsfläche für all das, was man selbst nicht ist und nicht sein möchte sowie gleichsam zu einer Stütze für eigene Identitätsfindung und für die Selbstdefinition ex negativo.

Eine Besserung in Sicht?

Der ehemalige Chefideologe des Kreml Vladislav Surkov zitiert in seinem jüngsten Artikel „Die Einsamkeit eines Halbbluts“, der auch vom Verhältnis zwischen der EU und Russland handelt, den populären russischen Rapper Oxxxymiron mit den Worten „Raue Pfade, raue Pfade, raue Pfade so weit das Auge reicht. Wann kommen denn endlich die Sterne?“ Surkov bleibt optimistisch und der Überzeugung, dass es bergauf gehen werde. Schon bald werde es besser und auch die Sterne werden hervorkommen, so Surkov.

Unwillkürlich erinnern diese Worte an einen Radio Jerewan Witz. Auf die Frage „Wann wird es besser?“, kam die Antwort „Besser war es doch schon!“. Die Wohlfühlphase haben die EU und die Russische Föderation hinter sich gebracht und es steht zu befürchten, dass der Tiefpunkt noch lange nicht erreicht ist.

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Über den Autor / die Autorin

Alexander Dubowy

Dr. Alexander Dubowy ist Forscher im Bereich Internationaler Beziehungen und Sicherheitspolitik mit Schwerpunkt auf Osteuropa, Russland und GUS-Raum sowie wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik (ISP).