Hetze bleibt Hetze, auch wenn sie subkutan verabreicht wird. Unter der Oberfläche ist Hanno Loewys Rundumschlag gegen alles, was rechts von links ist, nichts anderes als eine Diffamierung des jüdischen Staates
Dass die christlich-jüdische Geschichte des Abendlandes auch dadurch gekennzeichnet war, dass die einen die anderen jahrhundertelang verleumdet, verfolgt, vertrieben und ermordet haben, dürfte bei der Mehrheit der Bevölkerung zum Allgemeinwissen gehören. Und die Erkenntnis, dass es in Österreich Antisemitismus gibt, ist noch älter als der Witz, mit dem Hanno Loewy seinen Kommentar der anderen über die »Mär vom christlich-jüdischen Abendland« schmückt, der am 26. September im STANDARD erschienen ist.
Eine Antwort auf die Frage, inwiefern der autochthone Antisemitismus den importierten weniger gefährlich machen sollte, bleibt der Autor jedoch schuldig. Ich weiß nicht, von wem in Hohenems die größte Gefahr für Juden ausgeht. In Wien jedenfalls werden Synagogen seit Jahren ebenso bewacht wie jüdische Kindergärten und Schulen – und das eher nicht, um sie vor »der Mitte der Gesellschaft« zu schützen.
Der importierte Antisemitismus, dessen Existenz Loewy bestreitet, zieht seit Jahren eine blutige Spur durch ganz Europa. Von unzähligen körperlichen Übergriffen auf Juden bis hin zu Terroranschlägen, die nicht nur »islamistisch«, sondern oft auch antisemitisch motiviert sind.
»Es wird viel über den rechten Antisemitismus geredet, und natürlich gibt es auch einen ausgeprägten muslimischen Antisemitismus, doch der israelbezogene Antisemitismus wird zwar benannt, aber oft ignoriert. (…) Für mich aber in meiner täglichen Arbeit ist das der Antisemitismus, der meinen Alltag am meisten prägt«, erzählte mir der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, in einem Interview nach den Attacken auf die Grazer Synagoge und seine Person.
Perfide Doppelmühle
Nicht nur, dass Loewy diesen Antisemitismus nicht benennt, er nährt ihn auch noch. Er kann gar nicht anders, als den »jüdischen Staat« unter Anführungszeichen zu setzen, ist dieser für ihn doch nur eine Rechtfertigung der »Nationalisten dieser Welt (…) für ihren eigenen Rassismus«, für den sich Israel angeblich gerne gebrauchen lasse.
Eine perfide Doppelmühle, denn wie könnte Israel diesem Vorwurf entkommen? Soll es seine diplomatischen Beziehungen zum »Abendland« einfrieren, bis dieses »links« regiert wird? Warum wirft Loewy Israel Beziehungen zu »rechten« Regierungen vor, statt »linken« Politikern wie Jeremy Corbyn, dem ehemaligen Parteichef der britischen Labour Party, oder Fritz Edlinger, dem Generalsekretär der Gesellschaft für österreichisch-arabische Beziehungen, ihren notorischen Israel-Hass? Weil er ihn teilt?
Für Loewy ist Israel entweder »ethnisch-religiös oder säkular-pluralistisch«. Dass das Land beides ist, verschweigt er: ein pluralistischer, säkularer Rechtsstaat und gleichzeitig eine nationale Heimstätte des jüdischen Volkes, in der es zwischen Religion und Ethnie naturgemäß Überschneidungen gibt. In der jedoch – im Gegensatz zu allen anderen Ländern des Nahen Ostens – eben nicht »Ethnie oder Religion darüber entscheiden, ob man bürgerliche, politische oder soziale Rechte genießt«, wie er indirekt unterstellt.
Jüdische Kronzeugen
Dass Loewy am Ende den deutschen Antisemitismusbeauftragten Felix Klein diffamiert, passt ins Bild. Hatte sich dieser doch gegen den Soziologen Achille Mbembe gestellt, der gemeinsame Sache mit der antisemitischen Israel-Boykott-Bewegung BDS gemacht und Israel als schlimmeren Apartheidstaat als Südafrika verleumdet hatte.
Die »jüdischen und israelischen Intellektuellen«, die Loewy bei seinem Angriff ins Treffen führt, haben ein gemeinsames Geschäftsmodell: sich Antisemiten als Kronzeugen anzudienen. Eine Karriere, die auch Hanno Loewy offenstünde.
Der Kommentar wurde zuerst in DER STANDARD und danach auf MENA-WATCH veröffentlicht.
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