Foto: SPÖ Presse und Kommunikation, CC BY-SA 2.0
In Pitten kläfft ein Dackel und alle hören zu
Kaum schien sich die Situation beruhigt zu haben nach der internen Abstimmung über das Verbleiben der Parteichefin der SPÖ, kratzt der Mittelbau an der Basis, um die gewonnene Stabilität wieder aus dem Gleichgewicht zu bringen. Pamela Rendi-Wagner hatte sich eigentlich ganz gut geschlagen in der Presse-Stunde, doch wer erwartete, dass das Fußvolk der Partei ihr lobend und unterstützend zur Seite stünde, hatte vergessen, mit welchem Vergnügen die Gartenzwerge der sozialdemokratischen Bewegung in ihrem Parteigarten nach Unkraut suchen.
Kurze Zeit nach dem Interview meldete sich ein gewisser Patrick Pfeifer zu Wort, mit der Funktionsbezeichnung in den Medien als »Schriftführer der SPÖ in Pitten«, ohne auch nur zu erklären, was erstens ein Schriftführer in einer Dorf-Partei und zweitens wo Pitten sei. Dennoch erreichte sein Unmut die Medien, und eine Tageszeitung gab ihm die Ehre, mit fett gedrucktem Aufmacher die Kritik an der Partei-Chefin Wort für Wort zu wiederholen.
Ich habe mir die Mühe gemacht, mich mit Pitten näher zu beschäftigen und fand den Ort auf der Landkarte im Internet. Er liegt südlich von Wiener Neustadt mit einer Apotheke, einer Bäckerei, einem Café und einer Burg außerhalb des Ortes und etwas weniger als 3000 Einwohnern. Ohne genauer auf die Mitgliederzahl einzugehen, lässt sich die Gesamtzahl der SPÖ-Mitglieder in Österreich hochrechnen auf etwa 100 Mitglieder in Pitten, vielleicht sind es 110, aber vielleicht auch nur 90.
Auf der Homepage der SPÖ-Pitten sind die Fotos der Funktionäre finden, alle brav lächelnd als hätte der Fotograf ihnen ein Sackerl Zuckerl versprochen, und mitten unter ihnen auch der Schriftführer Patrick Pfeifer. In der Tageszeitung Heute wird er als »jung, dynamisch und fit« angekündigt, und weiter unten steht im Text steht: »Merklich sieht man an, dass er über die Androhung der SP-Bundeschefin entsetzt ist.«
Ich sah mir sein Bild genauer an, doch »merklich« fiel mir nichts auf, außer ein absurdes T-Shirt, das mehr meinem Geschmack widerspricht als seiner Aufmachung. Ob er fit sei, könnte ich nicht beurteilen, dazu gibt das Foto zu wenig her. Warum der Schriftführer der 3000 Seelen Gemeinde es dennoch in die Medien mit seinem Facebook Beitrag schaffte, hat nur einen einzigen Grund: Er kritisierte die SP-Chefin, und zwar heftig. Es gibt keine Garantie für Aufmerksamkeit außer dieser, mit jedem anderen Beitrag hätte er es nicht einmal in die Lokalzeitung von Pitten gebracht.
In seinem Video gegen Rendi-Wagner fragt er sie, wie denn der drohende Partei-Ausschluss, den die Partei-Chefin gegen Kritiker angekündigt hatte, mit den »wichtigen Grundsätzen wie Freiheit und Gerechtigkeit« vereinbar wäre. Er spricht von »diktatorischen Grundzügen«, die erschreckend und nur noch »abartig« wären. »Es kommt so rüber, als es Euch nur noch um den eigenen Machterhalt und nicht um die Zufriedenheit der Basis und der Bevölkerung geht«, sagt der rote Wutbürger in dem inzwischen gelöschten Video.
Und weiter: „Wir waren mal die stärkste und wichtigste Partei der Zweiten Republik und jetzt sind wir nur noch eine Lachnummer. Wenn wir jetzt Kritiker noch raussperren, hat das einen Effekt wie ein gleich brechender Staudamm und das kommt dem politischen Selbstmord gleich. Es ist abartig. Was ist destruktiv frage ich Dich? Wir kleinen Provinzler, die sagen, was sie stört? Ich sage Dir jetzt, was für mich destruktiv ist: Du hast den schlechtesten Wahlkampf-Manager nach einer horrenden Niederlage nicht mit nassen Fetzen davongejagt, sondern zum Bundesgeschäftsführer befördert. Wie deppat ist das? Mach‘ das mal in einem Unternehmen, fahre einen Millionenauftrag an die Wand – und dann sag ›Scheiß drauf, jetzt bist Geschäftsführer‹. Dich hält ja keiner mehr für dicht. Und weil wir das kritisieren, sollen wir ausgeschlossen werden. Hört uns mal wieder zu, bevor ihr sagt, wir wären alle Trotteln. Bei der nächsten Wahl bekommen wir wieder eine Watsche, dass wir in zehn Jahren noch schwindlig sind, wenn wir nicht bald anfangen gemeinsam zu arbeiten.«
Ich musste die Abschrift in Heute mehrmals lesen und möchte sie auch hier vollständig wiedergeben, um nicht nur die Methode aufzuzeigen, sondern auch das Niveau der Diskussion in der SPÖ. Da allerdings in Kleinst-Gemeinden mit SPÖ Bürgermeistern nichts ohne deren zustimmendem Nicken passiert, könnte man dem jungen fitten Schriftführer eventuell noch verzeihen, dass sein Gestammel von örtlich vorgesetzter Institution beauftragt und abgesegnet wurde. Besonders heiter sein Vergleich mit der Privatindustrie, der übertragen auf sein Verhalten gegenüber der Chefin bedeuten würde, dass ein Mitarbeiter in einem Unternehmen mit ähnlichen Beleidigungen gegenüber dem Vorgesetzten gleichzeitig seine Kündigung überreichen müsste.
Doch das wirklich absurde dieser Situation ist das Verhalten des Bürgermeisters, des örtlichen Partei-Chefs, der seinen jüngsten Mitarbeiter wie einen kläffenden Dackel an der Leine vorführt und ihn bellen lässt.
Feigheit und Hinterhalt kennzeichnen dieses Verhalten, und damit symbolisch eine Situation des ›Jeder-gegen-Jeden‹ innerhalb der Sozialdemokratie, wo anscheinend Jeder-Mann’s Methode der Selbstdarstellung akzeptabel ist.
Organisationen scheitern meistens am Mittelbau, selten an einzelnen Führungspersönlichkeiten. Die Stabilität und Schlagkraft einer Partei ist nur gewährleistet, wenn die Funktionäre gegenüber der Basis eine Loyalität nach oben und Verständnis nach unten zeigen, und damit auch das Vertrauen der Mitglieder in die Organisation garantieren. Das Tagesgeschäft der SPÖ geht derzeit allerdings in Richtung Selbstzerstörung.
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