Eine Erwiderung auf Thomas Eppingers Text »Das Land der Raucher«
Rauchen ist zu Unrecht dämonisiert. Neben manch anderen positiven Effekten befördert es vor allem das Nachdenken, indem es träge, gewohnheitsorientierte Hirne zu gesteigerten Assoziationen animiert. Das wussten bereits die preußischen Könige, weshalb Friedrich I. um 1710 herum sein legendäres Tabakskollegium einberief, in dem, entgegen den Usancen der Epoche, ungewöhnlich frei gedacht und gesprochen wurde, insbesondere politisch. Die Teilnahme war übrigens Pflicht: Auch Frauen wohnten dem Tabakskollegium rauchend bei. Leider wurden sie jedoch bereits unter der Regentschaft seines Sohns, des „Soldatenkönigs“, wieder ausgeschlossen – was im sonst so reformfreudigen preußischen Staat den bedauerlichen Beginn all jener Raucher-Restriktionen markierte, die über die Nazi-Zeit bis zum heutigen Tage anhalten und im Verbund mit viel zu vielen anderen Verboten mehr oder weniger die Luft zum Atmen nehmen.
Thomas Eppinger hat in diesem Magazin eine Polemik vorgelegt, die uns davon überzeugen will, wie unnütz und schädlich das Rauchen in Wirklichkeit sei. Als ehemaliger Raucher versteigt sich der sonst so stringent und liberal denkende Österreicher allerdings in einer Steilwand aus haltlosen Behauptungen, sensiblen Betrachtungen und Verbotsphantasien. Denen werde ich, als genetischer Preuße mit historisch aufgeladenem Tabak im Blut, ein paar Eindrücke und Gedanken entgegenhalten, die allesamt auf eines hinauslaufen: bloß nicht mit dem Rauchen aufzuhören, selbst wenn es sogar von liberalen Geistern bekämpft wird, und es schon gar nicht zu verbieten, nirgendwo!
In seiner Polemik führt Eppinger zwar einiges auf, das man schlecht bestreiten kann – zum Beispiel, wieviel besser er sich fühlt, seit er mit dem Rauchen aufgehört hat, oder wie traurig es war, am Grab eines Freundes zu stehen, mit dem man einst um die Wette qualmte. Doch irgendeinen substantiellen Grund gegen das Rauchen bringt er nicht vor. Stattdessen zitiert er die sattsam bekannten, angeblich bewiesenen Thesen über die ungesunden Aspekte des Rauchens. Nur verhält es sich damit wie mit der Klimakatastrophe, die auch nur insoweit existiert, als man gewisse klimatische Veränderungen menschlichen Einflüssen zuschreibt und hochrechnet. Die dafür herangezogenen Rechenmodelle basieren jedoch samt und sonders auf bedenklich löchrigen Daten und platten Denkweisen, sodass die vermeintliche Beweiskraft weit hinter der motivgebenden Industriefeindlichkeit und antikapitalistischen Gesellschaftskritik zurückbleibt.
Die Schädlichkeit des Rauchens ist nicht erwiesen
Zum einen ist es so, dass Raucher weder öfter krank noch von höheren Krebsraten betroffen sind als Nichtraucher. Das ist eine Tatsache, die gern übersehen wird. Warum es überhaupt zu bösartigen Tumoren kommt, ist bis heute zudem unklar – sie entstehen dort, weiß man allenfalls, wo es im Körper zu stärkeren Reizungen kommt. Das ist bei Rauchern natürlich jede Zone, die mit dem Rauch in Kontakt kommt, bei Nichtrauchern auch jede andere. Deshalb haben Raucher zwar öfter Lungenkrebs als Nichtraucher, aber seltener Krebs anderswo im Körper – und in der Summe genauso oft oder genauso wenig.
Zum zweiten ist auch die angebliche Schädlichkeit des passiven Rauchens alles andere als erwiesen – die herumgeisternde Zahl von 3.800 deutschen Toten pro Jahr resultiert aus noch simpleren Rechenmodellen als beim putativen Klimakollaps. Die einschlägigen Statistiken setzen einen ursächlichen Zusammenhang nämlich bereits dann an, wenn Nichtraucher, die mit Rauchern zusammenlebten, z.B. an Herz-Kreislauf-Versagen starben, egal wie alt sie wurden. Das bedeutet, dass jeder 90-jährige Tote, der mit einer qualmenden Ehefrau gesegnet war, trotz seines langen Lebens als Opfer des Passivrauchens gezählt wird.
Solch erhabener Logik folgend, müsste Dummheit eigentlich als passive Todesursache Nummer 1 gelten, was nicht nur statistisch gesehen vermutlich auch hinkommt. Bedenkt man dann noch, dass die immer zahlreicheren Alten und Uralten in unseren westlichen Gesellschaften überwiegend in Wohnungen groß wurden und in Umgebungen arbeiteten, die Räucherkammern glichen, fällt die Schimäre der gesundheitlichen Brisanz des aktiven und passiven Rauchens vollends in sich zusammen: Rauchen ist unterm Strich weder ungesünder noch gesünder als jede andere Lebensform – obwohl Ärzte hinter vorgehaltener Hand gelegentlich zugeben, dass Tabakkonsum, aber bitte maßvoll, signifikant vor Alzheimer schütze…
Das Problem bei der trotzdem weitverbreiteten negativen Konnotation in Bezug aufs Rauchen ist, dass man immer nur Argumente gegen, aber nie fürs Rauchen sucht oder zulässt und somit maximal einseitig unterwegs ist – wie es für zünftige Kampagnen typisch ist. Die angemaßte Verantwortung für Leib und Leben, das sich die Nichtraucherkampagne auf die Fahnen schreibt und deren moralischem Impetus auch Eppinger erliegt, ist deshalb ein Witz. Und zwar ein schlechter. So fällt die beklagte hohe Schadstoffbelastung der Gäste und Mitarbeiter in der rauchertoleranten Gastronomie x-mal geringer aus als die Belastung in rauchfreien Autobahngaststätten. Und doch erhebt niemand die gestrenge Forderung, Raststätten entlang der Autobahnen aus Sorge um die dort arbeitenden Menschen schließen zu lassen!
Es ist eine rechte Scheinheiligkeit, die da offenbar wird, gepaart mit herdentriebartigem Nichtdenken und oberflächlichstem Hinschauen. Wäre man denn wirklich erpicht darauf, Menschenleben zu retten, könnte man sich, mit viel mehr Aussicht auf Erfolg und vor abgesichertem wissenschaftlichem Hintergrund, um jene Krankenhauskeime namens MRSA kümmern, mit denen sich in Europa jährlich Millionen in Kliniken infizieren, oftmals mit lebenslangen schweren Schäden, und an denen über 90.000 Menschen jährlich sterben.
Gutes Recht
Nein, Rauchen ist lang nicht so übel, wie man zu denken animiert wurde. Früher wurde es ärztlich sogar als Mittel zur Bekämpfung von Skorbut gepriesen – und es ist durchaus kein Sucht-, sondern vorwiegend ein Genussmittel. Es gerät darum zur Banalisierung echter Süchte, wenn man die emotionale und rituelle Bindung ans Rauchen und die vergleichsweise geringe Bindewirkung des Nikotins in eine Reihe mit Alkoholismus, Heroinabhängigkeit oder Opiumsucht stellt. Darüber hinaus beweist es wenig Grandezza und sehr viel kleinbürgerliche Mentalität, das alles in einen Topf zu werfen und billig die Nase zu rümpfen – um geflissentlich zu übersehen, welch krankmachende Gesinnung hinter all den scheinbar wohlmeinenden, in Wahrheit uns manipulierenden Verboten steckt, von denen wir überschwemmt werden.
Die restriktive Manie, die hier offenbar wird, zielt nicht im Mindesten auf die Gesundheit der Menschen, sondern auf ihr Denken. Das Ziel, sie geistig gefügig zu machen, ist schon zu weiten Teilen erreicht: Kaum jemand raucht noch ohne schlechtes Gewissen, fast jeder entschuldigt sich dafür, dass er die Freiheit besitzt, sein Recht an sich selbst wahrzunehmen. Und das nicht nur in Bezug aufs Rauchen, sondern auch in jeder anderen Form. Irgendwann wird es deshalb so sein, dass die freiheitliche Aura des Rauchens als letzte Bastion der Unbeugsamen erkannt und gerühmt werden wird: derer, die der totalen Vereinnahmung widerstanden.
Mag sein, dass die Selbstbeobachtung von Thomas Eppinger und seine Lektüre gewisser Bücher ihn dahin bringt, der einstigen Leidenschaft zu misstrauen und ihr zu entsagen: Das ist sein gutes Recht, wie es auch das gute Recht jedes Nichtrauchers ist, in rauchfreier Gastronomie seiner Wahl zu verkehren. Das Recht jedes Rauchers ist es jedoch, dasselbe unter seinesgleichen zu tun. Und es steht keiner demokratischen Regierung zu, die in ihrer Verfassung niedergelegte Freiheit des Individuums auf Grundlage tendenziöser Einsichten per Mehrheitsbeschluss kollektiv zu beschneiden. Österreich hat das verstanden und setzt es in Taten um: vielleicht nicht durchweg aus tieferer Einsicht, aber in einer glücklichen Fügung. Tu felix Austria eben!
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Herr Gusovius, ich bin Arzt, als Nuklearmediziner in der Tumordiagnostik tätig.
Hauptzuweiser der FDG-PET/CT-Diagnostik, die wir betreiben, ist die Lungenabteilung.
Von den Patienten, die wir von dieser zur Abklärung eines Herdbefundes zugewiesen erhalten, sind oder waren die meisten (starke) Raucher. Die meisten zeigen ein „positives“, i. e. karzinomverdächtiges Untersuchungsergebnis, das sich fast immer auch in den weitergehenden Untersuchungen insbesondere histologisch verifizieren läßt. Grob geschätzt würde ich sagen, daß 90 % unserer Patienten mit einem positiven, oft bei der Erstvorstellung schon sehr ausgedehnten und nicht mehr ansatzweise heilbaren Befund, zu dieser Rauchergruppe gehören.
Als 63-Jähriger habe ich mich leider auch schon von etlichen ungefähr gleichaltrigen Kollegen auf immer verabschieden müssen: ausnahmslos all diese waren starke Raucher, ausnahmslos all diese sind am Lungenkarzinom gestorben.
Natürlich sind das keine belastbaren Statistiken, aber dafür haben schon längst andere gesorgt – angefangen von der Universität Jena, wo 1941 die erste Arbeit, die einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs nachwies, erstellt wurde. Das mag alles auch unter Nazi-Propaganda gelaufen sein – Methoden, Daten und Ergebnisse wurden aber später in den USA nachgeprüft und für valide befunden. In den USA wurden ähnliche Studien kurze Zeit später durchgeführt, mit dem selben Ergebnis. Einer der ersten Artikel für die breitere Öffentlichkeit letzterer Daten erschien in der Zeitschrift „Life“ etwa 1953, als diese noch voll war von ganzseitigen Farbanzeigen für Lucky Strike, Camel oder Pall Mall – man hat sich hier also nicht gerade nach wirtschaftlichen Interessen gerichtet.
In übrigen wurde in Prozessen in den 1990ern nachgewiesen, daß die großen Zigarettenhersteller gezielt mit Zusätzen operierten, die abseits der normalen, biologischen/pharmakologischen Eigenschaften des Nikotin vermehrt suchterzeugend wirken.
Es bleibt aber eben nicht nur bei ein, zwei, drei, vielleicht wirklich anregenden und kreativitätsfördernden Zigaretten pro Tag, die wohl auch trotz des Benzolabkömmligsgehaltes und anderer karzinogener Stoffe ziemlich unbedenklich sind, sondern ein Konsum von 1 – 2 Schachteln pro Tag ist bei den meisten Rauchern die Regel. Und damit handeln sich eben die allermeisten schwerstwiegende Probleme ein – und ein metastasierende Lungenkarzinom muß das nicht immer, sein: langsam an der COPD zu ersticken oder Stück für Stück die Beine wegen Gefäßschäden zu verlieren ist sicher keine viel bessere Perspektive; ein schneller Herzinfarkt kann da noch vergleichsweise gnädig sein. Vor diesen Gefahren zu warnen ist nicht Dämonisierung, sondern Realismus.
Und wenn auch das „Passivrauchen“ nicht so klare statistische Zusammenhänge hinsichtlich Folgeschäden liefert wie der Eigenkonsum von Zigaretten, so ist es alleine schon aus verfassungsmäßigen Gründen nicht argumentierbar, wenn Gastronomiepersonal am Arbeitsplatz grundsätzlich höheren Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt sein sollte als Beschäftigte in der Chemieindustrie oder an einem Schweißgerät.
Nein, man kann und soll das Rauchen nicht verbieten, aber man muß der Tatsache Rechnung tragen, daß ein einziger Raucher den Raum für 100 Nichtraucher verstänkern kann, aber niemals 100 Nichtraucher einen Raucher mir irgendwelchen Emanationen beeinträchtigen können – außer man glaubt an die letale Wirkung des „bösen Blickes“, welche ja u. a in den Hexenprozessen der frühen Neuzeit eine große Rolle spielte. Wenn Sie allerdings mit Überschriften wie „Die Schädlichkeit des Rauchens ist nicht erwiesen“ arbeiten, ist zu befürchten, daß Sie tatsächlich zu einem Menschenschlag gehören, der geneigt ist, auch noch den größten Unsinn zu glauben, gleichwertig etwa mit „Das Platin der Auspuffkatalysatoren ist schuld an der AIDS-Epidemie“ oder ähnlichen Mumpitz.
Ich muß eines gestehen: ich neige zu blumigen Formulierungen und ausufernden Sätzen. Wenn ich mirs recht überlege, könnte ich die obigen irgendwas wie 70 Zeilen auch subsummieren in einem einzigen Satz: „Ihr Kommentar ‚Das Tabakskollegium‘ ist ein unverantwortlicher Scheißdreck“.