Photo: Bundesarchiv, Georg Pahl, CC BY-SA 3.0
Kauft nicht bei Juden, singt nicht bei Juden, forscht nicht mit Juden!
International ist der Einfluss der BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions, dt. Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) um vieles größer als im deutschsprachigen Raum bekannt. Die Haltung zu BDS ist hierzulande immer noch indifferent, nicht nur in der Kunstszene. Ihr antisemitischer Charakter ist im öffentlichen Bewusstsein nicht verankert
Anders ist das Herumeiern bei der diesjährigen Ruhrtriennale nicht zu erklären. Dessen Intendantin Stefanie Carp hatte die Popgruppe »Young Fathers« eingeladen, die BDS unterstützt, sie nach Protesten wieder ausgeladen und dann doch wieder eingeladen. »Young Fathers« haben ihre Teilnahme daraufhin abgesagt. Viele deutsche Medien haben über die darauf folgende Diskussionsveranstaltung in Bochum berichtet, die Gerd Buurmann unter dem Titel »Stefanie Carp inszeniert die eigene Absolution« ausführlich beschrieben hat.
Die Bedeutung des Musikfestivals ist überschaubar, und dass Carp behauptet, von der Zugehörigkeit der »Young Fathers« zur BDS-Bewegung nichts gewusst zu haben, ist aufschlussreich für die Beurteilung von Frau Carps Qualifikation als Intendantin. Politisch relevant ist die Frage Carps, ob sie nie wieder jemanden einladen dürfe, der BDS unterstützt.
Dürfen Sie nicht, Frau Carp! Sie werden gleich sehen, warum.
Die Steigerung von »Kauft nicht bei Juden«
BDS verlangt nicht weniger als die Abschaffung Israels als jüdischen Staat. Bis dahin soll das Land auf allen Ebenen boykottiert, also wirtschaftlich, kulturell und politisch isoliert werden.
Israel wird von BDS als »Apartheidsstaat« diffamiert. Doch 20 Prozent der israelischen Staatsbürger sind arabischer Abstammung, sie haben exakt die gleichen Rechte wie jüdische Israelis, sitzen im Parlament, sind Ärzte oder leiten Unternehmen. Demgegenüber waren Schwarze in Südafrika von jeglicher politischen Teilhabe ausgeschlossen, sie durften weder in Wirtschaft noch Verwaltung leitende Funktionen einnehmen. Die strikte Rassentrennung durchdrang jeden Lebensbereich. Öffentliche Einrichtungen der Weißen blieben ihnen verwehrt (»Zutritt für Hunde und ›Nicht-Weiße›› verboten: Nur für Weiße!«), Grundbesitz war ihnen außerhalb der zugewiesenen Gebiete verboten, und vieles, vieles mehr. Allein dieser monströse, unhistorische und alle Fakten negierende Vergleich zeigt, dass der Hass auf die Juden das wahre Motiv der BDS-Bewegung ist, nur deshalb soll der jüdische Staat mit allen Mitteln delegitimiert werden.
Die Wurzeln von BDS liegen im Boykott der Arabischen Liga gegen Israel und alle mit Israel Handel treibenden Nichtjuden von 1948 bis 1998, der die nationalsozialistische »Kauft nicht bei Juden« Propaganda zum Vorbild hatte. Vorangetrieben hatte diesen Boykott der Großmufti von Jerusalem und Verbündete Adolf Hitlers, Mohammed Amin al-Husseini. Auf der NGO-Konferenz im Rahmen der Dritten Weltkonferenz gegen Rassismus im Jahr 2001 beschlossen die 8000 Delegierten eine »Politik der vollständigen und totalen Isolation Israels als eines Apartheidsstaates wie im Fall Südafrikas«. Zweifellos ein Höhepunkt der Komplizenschaft zwischen arabischen Israel-Hassern und wesentlichen Teilen der linken Zivilgesellschaft in Europa und den Vereinigten Staaten. Aus dieser »Durban Strategie« ging die BDS-Kampagne hervor.
Am 9. Juli 2005 erließen 171 palästinensische NGOs den Gründungsaufruf zur BDS-Bewegung, der fordert, Israel müsse die »Besatzung und Kolonisierung allen besetzten arabischen Landes seit Juni 1967 einschließlich Ost-Jerusalems« beenden; alle Sperranlagen im Westjordanland und um den Gazastreifen abreißen; alle auf Palästinensergebieten gebauten israelischen Siedlungen aufgeben; das »Grundrecht der arabisch-palästinensischen BürgerInnen Israels auf völlige Gleichheit« anerkennen; und das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum respektieren, schützen und voranbringen. Palästinensische Maximalforderungen, die politisch keine Chance auf Durchsetzung haben.
The Good, the Bad and the Ugly
Dennoch haben die – fast ausschließlich linken – BDS-Aktivisten in Europa und den USA Erfolg, vor allem im Kulturbereich. BDS-Supporter üben maximalen Druck auf Kollegen aus, um sie von Auftritten in Israel abzuhalten, sie stellen Künstler, die in Israel auftreten, öffentlich bloß, erniedrigen sie und mobilisieren die eigene Fangemeinde gegen sie. Und nicht nur gegen Künstler. Der WDR hatte die Zusammenarbeit mit Roger Waters nach der Intervention einer deutschen Jüdin beendet, worauf Waters sein Publikum auf die Beschwerdeführerin hetzte: »Auf seiner Tournee hat Waters auf jedem Konzert mehrfach meinen Namen ausgerufen, immer wieder: Malca Goldstein-Wolf, sie will meine Karriere ruinieren. … Ich bekam Hassmails über Hassmails aus der ganzen Welt.« Judenhasser sind nicht zimperlich. Wer von der Bühne vor tausenden Fans gegen eine Frau hetzt, weiß, was er damit anrichtet.
Kulturelle Boykotte sind leichter zu organisieren, oft mit Einschüchterung und Mobbing, als akademische und ökonomische und erzielen größere Publizität. So sagten Elvis Costello, Lauryn Hill, Thurston Moore, Sinéad O’Connor, Tommy Sands und Carlos Santana bereits geplante Konzerte in Israel ab, Stephen Hawking den Besuch einer Konferenz.
2014 zog der größte niederländische Pensionsfonds PGGM seine Investitionen bei fünf israelischen Banken ab. SodaStream war als israelische Firma mit einer Fabrik im Westjordanland immer wieder Ziel wütender BDS-Proteste, Verkaufsstellen in England mussten geschlossen werden, 2015 wurde schließlich diese Fabrik nach Israel verlegt, die Palästinenser verloren hunderte gut bezahlte Arbeitsplätze. Die israelische Regierung schätzt den jährlichen Schaden durch BDS auf 1,4 Milliarden Dollar jährlich, eine Studie der RAND Corporation schätzt ihn auf bis zu 47 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren.
Die deutsche BDS betreibt derzeit Kampagnen für den Ausschluss Israels aus der FIFA, für den Boykott des Song Contests 2019, den Boykott aller israelischen akademischen und kulturellen Institutionen, den Boykott israelischer Agrarunternehmen sowie den Boykott von Adidas, AHAVA, Allianz, Caterpillar, DB international, Diehl Stiftung, HeidelbergCement, Hewlett Packard (HP), Herrenknecht, Liebherr, Siemens, Veolia und natürlich SodaStream.
Viele Unterstützer und Gegner der BDS-Kampagne veröffentlichen ihre Aufrufe im britischen The Guardian, wer auf welcher Seite steht, kann man dort nachlesen: »Über 700 Künstler boykottieren Israel«, »Israel braucht kulturelle Brücken, keinen Boykott«, »Gegen den Ausschluss der Young Fathers von der Ruhrtriennale«.
Bekannte Aktivisten, Unterstützer und Sympathisanten von BDS sind:
Roger Waters, Brian Eno, Ken Loach, Julie Christie, Aki Kaurismäki, Jean-Luc Godard, Judith Butler, Naomi Klein, Desmond Tutu, Liam Cunningham, Isabelle Farah, Viviana Lombardi, Mira Nair, Young Fathers, Alain Platel, Elliott Sharp, Ilan Pappe und viele andere; in Deutschland Felicia Langer, die kürzlich verstorbene Evelyn Hecht-Galinski, Norman Paech, …
Zu den ausdrücklichen Gegnern der BDS-Kampagne und zu den Künstlern, die trotz Drucks ihrer Kollegen in Israel auftraten, gehören:
Joanne K. Rowling, Johnny Rotten, Scarlett Johansson, Helen Mirren, Niall Ferguson, Norman Lebrecht, Ivan Moscovich, Radiohead, Nick Cave, Justin Bieber, Bob Dylan, Joy Harjo, Lady Gaga, Elton John, Jon Bon Jovi, Alicia Keys, Cyndi Lauper, Madonna, Paul McCartney, Justin Timberlake, Kanye West, The Rolling Stones, Alan M. Dershowitz, Ethan und Joel Coen, Jon Bon Jovi, Howard Stern und viele mehr; in Deutschland Volker Beck, Jutta Dithfurt, Samuel Salzborn, …
Die Heuchelei von BDS offenbart sich am deutlichsten in einem Vergleich: Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten, Katar der größte Terror-Finanzierer der Welt. Noch nie hat man von den Aktivisten einen Aufruf gehört, Konzerte in Doha abzusagen oder Katar wirtschaftlich zu boykottieren.
Der Antisemitismus-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, Felix Klein, hat zu BDS die richtigen Worte gefunden:
Die BDS-Bewegung ist in ihren Methoden und Zielen antisemitisch. Die Aufrufe der Kampagne zum Boykott israelischer Künstler oder die ›Dont’t buy!‹-Aufkleber auf Waren aus dem jüdischen Staat sind uneingeschränkt zu verurteilen. Es handelt sich um Methoden aus der Nazi-Zeit, die unerträglich sind und weder geduldet noch toleriert werden dürfen.
Felix Klein
Die Frage von Frau Carp, ob man jemanden einladen dürfe, der BDS unterstütze, beantwortet sich demnach von selbst, wenn man sie richtig formuliert: Soll man zu einem Festival einen Antisemiten einladen, der sich Nazi-Methoden bedient?
Zuerst erschienen auf mena-watch
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