Rashida Tlaib, Ilhan Omar, gemeinfrei
Israel boykottiert die Boykottierer
Rashida Tlaib und Ilhan Omar dürfen in Israel nicht die Zerstörung des jüdischen Staates propagieren. Was für ein Skandal.
Die meisten Kommentatoren in den USA und außerhalb sind darin einig, dass es ein Fehler war, den beiden demokratischen US-Abgeordneten – wie seit 2018 allen Aktivisten und Organisationen, die zum Boykott des jüdischen Staates aufrufen – die Einreise nach Israel zu verweigern. Selbst AIPAC, das als bedeutendste pro-israelische Lobby in den Vereinigten Staaten gilt, kritisierte die Entscheidung, und auch wer für das Einreiseverbot Verständnis zeigt, fragt sich, ob es strategisch klug oder besonnen war.
Grob zusammengefasst, teilen sich die Kritiker in drei Gruppen: Für die einen ist es ein weiterer Beweis dafür, dass Israel ein rassistischer Staat sei oder wenigstens Netanjahu einer rassistischen Regierung vorstehe; andere befürchten, dass das Einreiseverbot Wasser auf die Mühlen der Israelgegner sei und die enge Bindung zwischen Israel und den USA beschädigen könnte; und wiederum andere kritisieren nicht das Einreiseverbot an sich, sondern den Anschein, es sei auf Zuruf von Donald Trump erfolgt.
Appeasement ist zwecklos
Bei alldem bleibt ein Punkt außer Acht: Antisemitismus hängt nicht davon ab, was Juden tun oder lassen. Der antisemitische Furor hat sich noch nie von irgendeiner Form jüdischen »Wohlverhaltens« aufhalten lassen. Das Gerücht über Israel ist der gesellschaftlich akzeptierte Antisemitismus der Gegenwart. Und nichts, was Israel tut, kann dagegen etwas ausrichten. Denn für die Israelgegner ist nicht Israels Regierung das Problem, sondern seine Existenz.
Um es in den Worten der BDS-Bewegung zu sagen, konkret in jenen von Omar Barghouti, Mitbegründer und Leitfigur: »Ein jüdischer Staat in Palästina, in welcher Form oder Gestalt auch immer, kann nur gegen die Grundrechte der einheimischen palästinensischen Bevölkerung verstoßen und ein System der Rassendiskriminierung fortsetzen, dem man sich kategorisch entgegenstellen sollte. … Entschieden widersetzen wir uns einem jüdischen Staat in irgendeinem Teil von Palästina. Kein Palästinenser – kein vernünftiger Palästinenser, nicht einer, der sich selbst verkauft hat – wird jemals einen jüdischen Staat in Palästina akzeptieren.«
Was würde sich denn ändern, hätte Israel Omar und Tlaib die Einreise gestattet? Hätten die beiden Israels Großmut gelobt, mit dem es seinen Gegnern eine Bühne gibt? Würde Bernie Sanders eingestehen, dass er Netanjahus Regierung fälschlicherweise »rassistisch« nannte? Würden die neun amerikanischen jüdischen Gruppierungen, die im April dieses Jahres Donald Trump in einem Brief aufgefordert haben, Netanjahu Einhalt zu gebieten, einen neuen Brief schreiben? Hätten all jene, die sich nun so wortreich empören, Israels Demokratie gepriesen?
Natürlich nichts dergleichen. Die Reise wäre genauso verlaufen, wie sie geplant war: als Propagandaveranstaltung zweier Antisemitinnen, die nichts unversucht lassen, den israelischen Staat zu delegitimieren. Begierig hätten sich die notorischen Israelkritiker aller Länder und Lager auf jedes noch so schäbig-verleumderische Statement der beiden gestürzt. Vom Sicherheitsrisiko und dem PR-Effekt allfälliger Demonstrationen von Palästinensern unter Teilnahme zweier US-Abgeordneter ganz zu schweigen.
Die USA und Israel
Dass Donald Trumps Tweet die israelische Regierung beeinflusst hätte, ist eine Spekulation, die durch nichts belegt ist. Israels Botschafter in den USA, Ron Dermer, wies diese Darstellung jedenfalls entschieden zurück. Man darf freilich annehmen, dass die israelische Regierung den amerikanischen Präsidenten vorab über ihre Entscheidung informiert hat. Und kaum jemand wäre verwundert, hätte Trump prompt via Twitter in die Welt posaunt, er sei der Regenmacher, obwohl er nur als erster die Tropfen gespürt hat.
Bleibt die Sorge, der Vorfall könne die Bindung zwischen USA und Israel beeinflussen. Doch damit macht man den Bock zum Gärtner. Es sind die US-Demokraten, die diese Bindung beschädigen. Zum Beispiel, wenn sie unwidersprochen Bernie Sanders die Militärhilfe für Israel infrage stellen lassen, oder indem sie Antisemitinnen für den Kongress nominieren, die Israel auf der Landkarte ihres Büros durch Palästina ersetzen und sich nach ihrem Wahlsieg in palästinensische Flaggen hüllen statt in amerikanische. Nur zwei Anlässe, bei denen sich manche fragen mögen, ob die US-Demokraten als Partei dabei sind, einem Antisemitismus der radikalen Linken zu erliegen, wie er in die britische Labour Party bereits eingezogen ist.
Denn selbstverständlich haben Demokratien das Recht, unliebsame Personen nicht ins Land zu lassen, unabhängig vom Status im jeweiligen Heimatland. Die USA selbst haben dieses Recht aus den verschiedensten Gründen oftmals in Anspruch genommen, bei Politikern wie Nelson Mandela (Südafrika), Narendra Modi (Indien), Michael Ben Ari (Israel) und Kurt Waldheim (Österreich), bei Fußballern wie Diego Maradona, Aktivisten wie Tariq Ramadan oder Künstlern wie Yussuf Islam aka Cat Stevens, Boy George und Amy Winehouse. Und 2017 hat die österreichische Regierung dem türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci die Einreise verweigert.
Mehr als alles andere: Enkeltochter
Die Israelis hätten ihr die vielleicht letzte Möglichkeit genommen, ihre Großmutter zu sehen, klagte Rashida Tlaib. Mit tränenerstickter Stimme dankte sie kurz darauf ihren Unterstützern von Jewish Voice for Peace. »Ich sollte im Flugzeug sitzen, um sie zu sehen… Danke, dass ihr nicht politisiert, was mit mir geschieht, denn ich bin immer noch eine Enkeltochter. Mehr als alles andere bin ich eine Enkeltochter.«
Nach der Verweigerung der Einreise beantragte sie in einem Brief an Innenminister Arie Deri erneut die Einreise nach Israel, diesmal aus humanitären Gründen, um ihre Großmutter zu besuchen. »Ich werde jegliche Beschränkungen respektieren und werde während meines Besuchs nicht für Boykotte gegen Israel werben«, heißt es darin. Israel gab ihrem Antrag statt. Woraufhin sich’s die Abgeordnete, die angeblich »mehr als alles andere« Enkeltochter ist, prompt anders überlegte und ihren Besuch per Twitter absagte:
»Ich kann nicht zulassen, dass der Staat Israel … mich demütigt und meine Liebe für meine Omi benutzt, um mich seiner unterdrückerischen und rassistischen Politik zu beugen. Mich zum Schweigen zu bringen und mich wie eine Kriminelle zu behandeln, ist nicht, was sie für mich will. Es würde ein Stück von mir töten. Ich habe beschlossen, dass ein Besuch bei meiner Großmutter unter diesen unterdrückenden Bedingungen allem widerspricht, woran ich glaube – gegen Rassismus, Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu kämpfen.« Dann muss die Lieblingsomi, die Tlaib seit 2006 nicht mehr besucht hat, eben noch ein wenig warten. Der Kampf gegen Israel geht vor.
Israel hat eine rote Linie gezogen. Die BDS-Bewegung hat nichts mit Redefreiheit zu tun, es handelt sich um nichts weniger als ökonomische Kriegsführung mit dem Ziel, den Jüdischen Staat zu delegitimieren und letztendlich zu zerstören, wie der US-Botschafter in Israel, David Friedman, erklärte. Seiner eigenen Zerstörung muss und darf kein Staat Vorschub leisten, auch dann nicht, wenn sie von Abgeordneten eines befreundeten Landes betrieben wird.
Auf jeden Fall hat die Entscheidung einmal mehr den heuchlerischen Charakter der Israelhasser offenbart. »Frieden wird es geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen«, sagte Golda Meir einmal. Und ihre Großmütter, möchte man ergänzen.
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