Über einen Harry-Potter-Star und einen besonderen Platz in der Hölle

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Emma Watson beim Earthshot Prize Award 20121 (© Imago Images / Cover-Images)

Warum Emma Watson eher neben Desmond Tutu schmoren würde als neben dem Metzger meines Vertrauens.

Mein Fleischhauer ist ein Meister seines Fachs. Was er über Israel oder die Palästinenser denkt, weiß ich nicht. Ich unterhalte mich mit ihm über Fleisch, nicht über den Nahen Osten. Hinter der Theke stehen drei Generationen, der Umgang untereinander ist respektvoll, auch im größten Stress fällt nie ein lautes Wort, für ein Lächeln und ein paar freundliche Worte mit den Kunden ist immer Zeit. Das Geschäft ist entsprechend beliebt, die Kunden stehen nicht nur sprichwörtlich Schlange, sondern tatsächlich.  

Und doch: kaum einer seiner Kunden würde seiner Meinung zu gesellschaftlichen, kulturellen oder politischen Themen besondere Relevanz konstatieren. Vielleicht ist der Metzger meines Vertrauens ein profunder Opernkenner, vielleicht weiß er alles über die Pyramiden von Gizeh, was es es zu wissen gibt.

Ich weiß es nicht, und die mit mir in der Schlange stehen, wissen es auch nicht. Wollte er seiner Meinung zu Themen außerhalb seines Fachgebiets Gewicht verleihen, müsste er sich Reputation und Aufmerksamkeit erst erarbeiten. Dass er ein hervorragender Metzger ist, dürfte ihm dabei kaum helfen.

Ich habe nie nachvollziehen können, warum der Meinung zu allem und jedem von Schauspielern, Sängern oder anderen Celebrities so viel mehr Bedeutung beigemessen wird als der von Metzgern, Malern oder Atomphysikern. Die Welt sehnt sich nach Idolen, aber man kann ein Genie sein und dennoch ein Charakterschwein, oder ein wunderbarer Mensch ohne besondere Fähigkeiten. Das eine bedingt das andere ebenso wenig wie es einander ausschließt. 

Und genauso kann man natürlich ein Meister seines Fachs sein und auf einem anderen Gebiet ein kompletter Idiot. So banal diese Aussage ist, so wenig hat sie mit der medialen Wirklichkeit zu tun. In dieser bestimmt nicht der Gehalt eines Statements dessen Bedeutung, sondern die Popularität des Absenders.

Harry Potter, Auftritt Hermine

»Solidarity is a verb«, steht da in Wörtern, die aus Zeitungsausschnitten zusammengeklebt sind – Solidarität ist ein Zeitwort, im Sinne des alten Sponti-Spruchs »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es«. Der Slogan überlagert das Foto einer Kundgebung pro-palästinensischer Demonstranten in Chicago am 12. Mai 2021, zur Zeit der Angriffe der Hamas auf Israel. 

Die Demonstration mit rund 1.500 Teilnehmern war eine von zweien, die damals von der Chicago Coalition for Justice in Palestine organisiert wurden, einer Dachorganisation für palästinensische Aktivistengruppen in Chicago, darunter American Muslims for PalestineStudents for Justice in Palestineund das U.S. Palestinian Community Network

»Free Palestine« kann man auf dem Foto lesen, auf anderen Fotos sieht man Slogans wie »Hände weg von Jerusalem«, »Stoppt den Genozid an den Palästinensern« oder »Stoppt die US-Zahlungen an die Mörder unserer Kinder«.

Auf Instagram geteilt hat diese Collage das Bad Activist Collective aus Künstlern und Aktivisten, das in seinem Logo alle »woken« Schlagwörter vereint, die gerade wohlfeil sind: Racial Justice, Climate Justice, Queer Liberation, Mental Health, Intersectionality, das Ganze umrahmt von »Dismantling Systems of Oppression« und »People & Planet«. 

Seit dem 14. Mai bekam der Instagram Post 2.667 Likes. Das sind deutlich weniger Likes als mein Fleischhauer im selben Zeitraum Kunden hatte, was ich für ein dermaßen hochtrabend daherkommendes »Kollektiv« für einen eher überschaubaren Erfolg halte.

Mit deutlich größerer Wirkung hat am 3. Jänner Emma Watson diesen Post geteilt: Zur Stunde 1.345.170 Likes. Emma Watson wurde als Darstellerin der Hermine Granger in den Harry-Potter-Filmen berühmt. Bereits im Alter von 18 Jahren, von Juni 2007 bis Juni 2008, beliefen sich ihre Gagen auf 5,5 Millionen Dollar. Sie engagiert sich für Frauen- und Mädchenrechte, Klimaschutz und Umweltgerechtigkeit und beteiligte sich 2017 am Women’s March on Washington, der unter anderem von der Antisemitin und BDS-Unterstützerin Linda Sarsour organisiert worden war, der »Verkörperung der Synthese der totalitären Linken mit dem radikalen Islam«, wie der Autor Hannes Stein sie beschrieb.

A special place in hell

»There’s a special place in hell for people who use their prominence to promote antisemitism«, sagt Alan Dershowitz in einem fulminanten Interview über den unlängst verstorbenen Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Der Platz in der Hölle ist wohl auch für jene reserviert, die ihre Prominenz dazu nutzen, den israelbezogenen Antisemitismus zu befeuern. 

Und genau das ist es, was Emma Watson tut. »Wenn sogar Emma Watson ›Free Palestine‹ sagt, haben wir gewonnen«, lässt Watsons Posting die Journalistin Rivkah Brown auf Novara Media jubeln, einem britischen Online-Medium am linken Rand des politischen Spektrums. Auch wenn in diesem Kommentar nur der Wunsch der Vater des Gedankens ist, zeugt er von der Wirkung, die ein Instagram Post erzielt, wenn die Absenderin prominent genug ist.

Dass sich ausgerechnet Aktivistinnen für »Queer Liberation« und »Frauen- und Mädchenrechte« auf die Seite von Sympathisanten einer islamistischen Terrororganisation stellen, die gerade Raketen auf eine liberale Demokratie abfeuert, ist zwar weder neu noch ungewöhnlich, dafür aber besonders degoutant.

Ob Antisemitismus, Hass auf den jüdischen Staat, kognitive Dissonanz, Dummheit, völliges Unwissen über das Wesen der Hamas und deren Diktatur, Ignoranz gegenüber jedwedem Unrecht, für das man nicht »den Westen« oder »alte, weiße Männer« verantwortlich machen kann, oder alles zusammen – welcher Teufel diese Menschen reitet, erschließt sich dem klaren Verstand nicht.

Dass Emma Watson mit einem »Confundo!«-Verwirrungszauber aus den Harry-Potter-Romanen belegt worden ist, der die verfluchte Person konfus macht und sie alles durcheinanderbringen lässt, lässt sich jedenfalls ausschließen. Dessen Wirkung lässt nämlich nach einiger Zeit nach und verschwindet wieder von selbst.


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Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.